Schweineblut
Barbara Thofondern war im vergangenen
Jahr bei ihm, um einen Schwangerschaftstest zu kaufen.«
»Interessant.«
»Ja. Und es sieht ganz danach aus, dass auch Kamphausen scharf auf
die Thofondern war. Jedenfalls ist der Apotheker mal dazugekommen, als sich
Voogt und Kamphausen heftig gezofft haben. Er sagt aus, dass sich die beiden um
Barbara gestritten haben.«
»Und nun ist Voogt tot.«
»Bean hat nicht nur die Schützen aus der Bruderschaft befragt,
sondern auch das halbe Dorf. Voogt war demnach tatsächlich ein ziemlicher
Weiberheld. Er hatte wohl ein ganz besonderes Verständnis von Glaube, Sitte,
Heimat.«
»Hast du das gewusst?« Lisa schob ihm die Zeitung zu.
Frank legte sein Marmeladenbrötchen beiseite.
»Cengiz.« Ungerührt trank Frank einen Schluck Kaffee.
»Du bist reichlich herzlos. Der arme Cengiz, er muss schreckliche
Angst gehabt haben.«
»Wusste gar nicht, dass Cengiz schon 34 ist.« Frank legte die Zeitung beiseite.
»Frank!«
»Ist ja nix passiert.«
»Was ist bloß los mit dir? Du bist so anders, seit ich zurück bin.
Was ist passiert, während ich weg war?«
»Nichts. Ich will nur in Ruhe mit dir frühstücken. Wer weiß, wann
wir wieder Gelegenheit dazu haben. Wir haben zwei Morde und zwei
Vermisstenfälle aufzuklären. Vielleicht auch drei Morde. Da kann ich mich nicht
auch noch um einen Kiosk kümmern.«
Was sollte er Lisa noch sagen? Dass sie beide ein totes Kind hatten,
um das sie nicht trauern konnten, weil es keinen Namen hatte und es kein Grab
gab? Dass es ihm fast das Herz zerrissen hatte, als sie damals einfach weggelaufen
war? Und dass da noch Viola war?
»Frank, bitte red mit mir.«
Sein Schweigen legte sich wie Raureif über den Küchentisch.
»Viola Kaumanns, reiß dich endlich zusammen. Du schaffst
das! Du wirst diesen van Bommel an den Eiern packen und hinter Gitter bringen«,
machte sie sich schon zum hundertsten Mal an diesem Tag Mut.
Viola Kaumanns hatte sich ganz besonders sorgfältig für das Treffen
mit Marco van Bommel zurechtgemacht. Zwei Nachmittage war sie durch die Stadt
gelaufen, um Klamotten für ihre neue Rolle zu finden. Und um sich ein bisschen
abzulenken. Gefunden hatte sie am Ende nichts Passendes. Wie sollte diese
Michaela Verbocket auch aussehen, die Marco van Bommel treffen würde? Viola Kaumanns
hatte schließlich beschlossen: nicht anders als sie, Viola, selbst zu sein.
Sie hatte nur noch wenig zu tun. Sie hatte ihre Lieblingsjeans
angezogen und auch das kurze T-Shirt mit dem Che-Guevara-Kopf. Darüber trug sie
einen dünnen Pullover aus feinem Kaschmir. Nichts Aufdringliches, aber von
einer schlichten und gleichzeitig lässigen Eleganz, die aus Viola Kaumanns
Michaela Verbocket machte, die augenscheinlich aus einer besseren Familie
stammte, deren Traditionen sie sich sehr wohl bewusst war, gegen deren
Konventionen sie aber gleichzeitig nur zu gerne verstieß.
Eine Stunde später fuhr sie mit ihrem VW Golf, den ihr die
Schirrmeisterei mit einem Ortungsgerät präpariert zur Verfügung gestellt hatte,
langsam über die kurze Brücke, die zu der Halbinsel führte, auf der die alte
Versandhalle stand. Es war kurz nach 15 Uhr und würde bis zum Dunkelwerden nicht mehr lange dauern. Die
Welt schien in graue Watte gepackt zu sein.
Viola Kaumanns ließ den Wagen hinter der engen Brücke auf den leeren
Parkplatz rollen. Van Bommel war noch nicht da. Von ihren Kollegen war niemand
zu sehen. Sie wusste aber, dass die Versandhalle bereits seit zwei Stunden
observiert wurde und die Zugänge zur Halbinsel überwacht wurden. Zusätzlich
standen nicht weit entfernt, gleich hinter dem Schloss, auf dem knochenhart
gefrorenen Rasen des Stadions, ein Polizei- und ein Rettungshubschrauber in
Alarmbereitschaft. Zudem waren sämtliche Streifenwagenbesatzungen in Grevenbroich
angehalten, wachsam zu sein, die Stadtparkinsel und besonders den Bereich um
die alte Baumwollspinnerei Erckens aber auf jeden Fall zu meiden.
Viola Kaumanns blieb noch einen Augenblick in ihrem Auto sitzen. Sie
wusste, dass das Einsatzteam sie beobachtete. Mindestens zwei Beamte und zwei
Scharfschützen waren im Stadtarchiv, der ehemaligen Maschinenhalle, postiert,
das mit der Versandhalle einen Winkel bildete. Auch im Gebäude neben dem
Parkplatz waren Kollegen postiert. Die Einsatzzentrale war im Erdgeschoss des
Museums Villa Erckens untergebracht. Von dort waren die Gebäude auf der
Stadtparkinsel einigermaßen gut einzusehen.
Entschlossen stieg sie aus und eilte mit schnellen
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