Schweineblut
Schritten auf den
Eingang der Versandhalle zu, die hell erleuchtet war.
»Oh, guten Tag. Schön, dass Sie bei dem Wetter den Weg in unsere
Ausstellung gefunden haben. Ich war gerade schon versucht, wieder zu schließen.
Herzlich willkommen.« Der Mann im warmen Strickpullover, der nahe der Tür im Vorraum
zur eigentlichen Ausstellung an einem Tisch saß, erhob sich. »Wenn Sie mögen.«
Er lächelte und hielt Viola Kaumanns ein schlichtes Faltblatt entgegen. »Hier
stehen ein paar Informationen über den Maler drin. Ein Mönchengladbacher. Die
Ausstellung geht in der kommenden Woche zu Ende. Wenn Sie Fragen haben, melden
Sie sich einfach. Ich kann Ihnen auch eine Preisliste zeigen.«
»Danke.« Viola Kaumanns sah dabei ihrem Gegenüber aufmerksam in die
Augen. Sie kannte den Mann nicht, der trotz dicken Pullovers dünn und wenig
kräftig aussah. Ein Kollege aus dem Präsidium war er nicht.
»Ist etwas nicht in Ordnung?« Der freundliche Mann wirkte irritiert.
»Nein. Ich meine, natürlich ist alles in Ordnung. Es ist nur …«,
Viola Kaumanns suchte nach den passenden Worten, »ich meine, Sie erinnern mich
an jemanden. Ich weiß nur noch nicht, an wen.«
Ȁhm, Brandt, Wolfgang Brandt, ich bin der Stadtarchivar und heute
nur als Vertretung hier. Unsere Frau Koch ist plötzlich krank geworden. Da bin
ich eben eingesprungen. Sind ja nur zwei, drei Stündchen.«
Die Kriminalkommissarin nickte und betrat dann etwas zögernd den
eigentlichen Ausstellungsraum. Sie war allein.
Vom Eingang aus überflog sie mit einem ersten Blick den weiß
gestrichenen Raum. Die hohen Fabrikfenster verhalfen dem hallenähnlichen Ort zu
einer anderen Jahreszeit gewiss zu viel Tageslicht.
Viola Kaumanns wanderte langsam an den Gemälden vorbei. Abstrakte
Arbeiten, bei denen der Maler Schichten über Schichten gelegt, diese teilweise
wieder abgetragen und neu übermalt hatte. Rote, blaue und grünliche Flächen,
dazwischen Andeutungen von Schrift. Der Kommissarin gefielen die Bilder auf
Anhieb. Besonders die großformatigen Arbeiten. Sie trat einen Schritt zurück,
um die bearbeiteten Flächen auf sich wirken zu lassen. Viola Kaumanns
bedauerte, dass sie als Polizeibeamtin nicht über das nötige Kleingeld
verfügte, um sich gleich mehrere der ausgestellten Bilder kaufen zu können.
»Die Bilder brauchen Platz zum Atmen. Sie sind wie wir Menschen.
Wenn wir eingesperrt werden, verlieren wir unseren Glanz und unsere
Ausstrahlung.«
Viola Kaumanns fuhr herum.
»Habe ich Sie erschreckt? Dann entschuldigen Sie bitte.«
Viola Kaumanns schaute zunächst nur in diese tiefblauen Augen, die
sie freundlich anlächelten. Und dann sah sie den Mund, die sanft geschwungenen
Lippen, die dem schmalen Gesicht eine anziehende Sinnlichkeit gaben. Einzig die
große Sonnenbrille, die Marco van Bommel in seine vollen schwarzen Haare
hinaufgeschoben hatte, passte nicht so recht ins Bild.
»Sie mögen Wolfgang Speen?« Seine Stimme klang voll und samtweich
zugleich.
»Speen? Wie? Ach so, ja. Ich lerne ihn gerade erst kennen. Ich habe
bisher noch keine Arbeiten von ihm gesehen.« Viola Kaumanns strich sich
verlegen eine kleine Haarsträhne aus dem Gesicht. Der Mann hatte unglaubliche
Augen.
»Moderne Kunst ist eine echte Bereicherung für unser Leben. Finden
Sie nicht?« Van Bommel sprach mit einem leichten niederländischen Akzent, der
Viola Kaumanns gefiel.
»Ja. Ich kann mit den alten Meistern weniger anfangen, um ehrlich zu
sein. Jede Zeit hat ihre eigene Kunst, finde ich.« Sie vermied es, ihn auf die
holländischen Meister anzusprechen. Das wäre zu plump gewesen.
»Das sind genau meine Worte. Wann immer es meine Zeit erlaubt, bin
ich in Ausstellungen und in Galerien unterwegs, um mich nach Neuem umzusehen.
Und um das eine oder andere Stück zu kaufen.«
Selbstgefälliges Arschloch, dachte Viola. »Nun, so weit reichen
meine finanziellen Möglichkeiten leider noch nicht.«
»Kunst zeigt mir die Reinheit des Lebens und hat auf mein Leben eine
katharsische Wirkung. Deshalb bin ich quasi süchtig nach Kunst. Ich gestehe
es.« Marco van Bommel streckte ihr seine Hand entgegen. »Verzeihen Sie bitte,
ich habe mich Ihnen noch gar nicht vorgestellt. Mein Name ist Marco van Bommel.
Aus Amsterdam.«
Viola Kaumanns spürte in dem kurzen Augenblick des angenehm
kräftigen Händedrucks die Wärme seiner weichen Haut. Und sie hatte das Gefühl,
den Hauch eines rauchigen Aftershaves wahrzunehmen. Der Duft war verlockend,
intensiv und doch fern. Er passte
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