Schweineblut
mich hier nicht so einfach liegen lassen.«
»Von mir aus kannst du hier draußen verrecken.«
»Ich verlange, ins Warme gebracht zu werden.«
»Du hast gar nichts zu verlangen.«
»Das ist unmenschlich!« Vermeers Stimme überschlug sich.
»Ihr seid Tiere. Ratten. Von mir aus erfrierst du. Das ist nichts im
Vergleich zu dem, was dir blüht, wenn die Kollegen dich hier finden.«
»Fahr zur Hölle, Kuhnert!«
Der Leiter des KK 14
horchte auf. »Woher kennst du meinen Namen, du Ratte?«
Als Antwort kam ein höhnisches Lachen.
Mit einem Satz war er wieder bei dem Holländer und packte ihn am
Oberkörper. »Dir wird das Lachen noch vergehen!«
Jan Vermeer winselte vor Schmerzen. Kuhnert packte ihn an den
Oberarmen und zog ihn ein Stück in den Flur hinein. »Wie viele seid ihr?«
»Was?«
»Zu wievielt seid ihr hier?«
»Drei.«
»Lüg mich nicht an, du Arschloch!«
»Ich schwörs dir. Was ist mit Werner?«
»Wenn du deinen Komplizen meinst, der ist tot.«
Jan Vermeers Augen weiteten sich unmerklich. »Und Marco?«
»Lebt.«
Hastig lief Jan Kuhnert das kurze Stück bis zu Violas Gefängnis.
Ohne Widerstand sprangen die Handschellen auf. Behutsam schlug er die Decke
zurück, legte Violas Beine zusammen und kreuzte ihre Arme vor der nackten
Brust. Dann zog er die Decke wieder über ihren Körper.
Tränen stiegen in Jan Kuhnert auf. Er musste an Lutz denken. Und
daran, dass sie sich kurz vor seinem Tod noch gestritten hatten. Es war wieder
einmal darum gegangen, dass Lutz das Versteckspiel leid war und dass er Jan
schon so lange drängte, endlich zu ihrer Liebe zu stehen. Er hatte versucht,
seinen Freund zu vertrösten auf die Zeit nach dem Ende ihrer Ermittlungen. In
Wahrheit hatte er nur Zeit schinden wollen.
Er hatte den Moment deutlich vor Augen, als ihm klar geworden war,
dass Lutz verunglückt war. Dass ihre Beziehung ein entsetzliches Ende gefunden
hatte, ohne dass er Lutz noch einmal seiner Liebe hatte versichern können.
Kuhnert hatte gehofft, dass Viola ihre Rettung spüren würde. Aber
außer der kaum wahrnehmbaren Atmung blieb ihr Körper regungslos. Er schrak
zusammen. Er durfte keine Zeit verlieren. Er musste die Kollegen informieren!
Er wählte Frank Borschs Anschluss, horchte auf das Freizeichen und
sah auf seine Armbanduhr. Vom Verlassen seines Autos bis jetzt waren nicht
einmal anderthalb Stunden vergangen.
»Frank Borsch?«
»Ich bin’s, Jan.«
—
»Wie geht es ihr?« Auf dem Weg an seinen Schreibtisch sah
Ecki Frank fragend an.
Frank hob bekümmert die Hände. »Der Arzt sagt, sie kommt durch. Mehr
weiß ich nicht.« Er war erschöpft. Die vergangenen Stunden waren fast über
seine Kräfte gegangen. »Wenn wir nicht aufpassen, werden die Bosse versuchen,
van Bommel aus dem Knast zu holen oder ihn im Knast liquidieren zu lassen. Und
wenn van Bommel Informanten bei uns sitzen hat, werden wir noch jede Menge
Probleme bekommen.«
»Ich denke nicht, dass du dir darüber Sorgen machen musst.«
»Wie geht es Kuhnert?«
»Jan ist völlig erschöpft und erkältet. Er braucht jetzt Ruhe.«
»Ruhe? Na, meinetwegen.«
»Mensch, kapier doch: Er hat Viola das Leben gerettet!« Ecki sprach
leise und mit Bedacht. »Denkst du nicht, dass du dich bei ihm entschuldigen
solltest?«
Frank schwieg. Er machte ein verschlossenes Gesicht.
»Ich denke, du hast dich da verrannt.«
Franks Blick blieb düster.
»Du benimmst dich wie ein trotziges Kind, Frank. Sicher, Kuhnerts
Alleingang war nicht in Ordnung. Andererseits kann ich ihn auch ein klein wenig
verstehen. Er hat doch gemerkt, dass ihm keiner mehr traut. Ich weiß nicht, ob
ich mich in seiner Situation nicht ähnlich verhalten hätte.«
»Er hat uns alle verarscht.«
»Frank, hör auf damit. Und entschuldige dich bei ihm.«
Die nächsten Stunden verbrachten die beiden weitgehend schweigend
mit dem Studium ihrer Akten. Außerdem bereitete Frank sich auf van Bommels
Vernehmung vor. Zwischendurch telefonierte er mit Lisa. Er hatte von der einen
auf die andere Sekunde ihre Stimme so sehr vermisst, dass es in seiner Brust
schmerzte.
Ecki hatte bereits nach den ersten Sätzen diskret das Büro
verlassen.
»Guten Morgen, Herr van Bommel. Mein Name ist Frank
Borsch. Ich bin Kriminalhauptkommissar und Leiter des KK 11.«
Marco van Bommel schwieg. Der Niederländer hatte Schatten um seine
Augen. Und er war schlecht rasiert. Bis auf die Schläfe. Dort saß auf der
ausrasierten Stelle, die die Verletzung durch Kuhnerts Waffe markierte, ein
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