Schweineblut
Generation hier. Und wir sind sehr stolz auf
unsere Tradition.«
»Lieber Cengiz, ich wollte dich nicht in deiner Familienehre oder
deinem Stolz als Geschäftsmann treffen. Ich wundere mich nur: Wer sieht aus wie
ein Geschäftsmann und raubt einen Kiosk aus?«
»Das habe ich ihre Kollegen auch gefragt.«
»Und? Was haben die gesagt?«
»Dass sie schon gesehen haben, wie Pferde kotzen.«
»Aha.«
»Warum kotzen Pferde, wenn die Polizei kommt, Commissario?«
Van Bommel wartete schon auf Frank. Er saß mit den Händen
in den Hosentaschen lässig zurückgelehnt am Tisch. Mit spöttischem Lächeln
beobachtete er Franks Handgriffe, während der das Mikrofon zurechtrückte und
den Aufnahmepegel des Tonbandgeräts einstellte. Anerkennend verzog er den Mund,
als Frank die für die Vernehmung nötigen Formalitäten auf Band sprach.
»Sehr ordentlich, Herr Kriminalhauptkommissar.«
»Ich freue mich, dass Sie meine Arbeit so schätzen.«
»Ja ja, die sprichwörtliche deutsche Gründlichkeit.«
»Eine Tugend, die uns bisher immer ans Ziel gebracht hat.«
»’45 auch?«
»Ich bin nicht hier, um mit Ihnen die deutsch-niederländische
Geschichte aufzuarbeiten.«
»Das ist das Problem von euch Deutschen, ihr müsst immer alles nach
Plan abarbeiten. Alles, was ihr zum Glücklichsein braucht, ist eine
Checkliste.«
»Ich habe eine ganze Reihe Fragen an Sie.«
»Erstaunlich, dass ihr trotzdem so viele kluge Köpfe hervorgebracht
habt. Und Künstler. Ich liebe moderne Kunst.«
»Das ist nicht unser Thema. Aber in den JVAs gibt es hervorragende
Büchereien, dort finden Sie sicher genug Anregungen für Ihren Kunstverstand.
Und es gibt Malgruppen, denen Sie sich anschließen können.« Nun war es Frank,
der spöttisch seinen Mund verzog.
»Ein netter Versuch, Borsch. Aber Kunst ist ein ernstes Thema.
Moderne Kunst ist der einzig wahre Global Player. Und sie ist das einzig
geeignete Medium, Gefühle auf dieser immer kälter werdenden Erde zu
transportieren.«
»An Ihnen ist ein Philosoph verloren gegangen. Woher nehmen Sie all
diese Weisheiten, van Bommel? Denn in Ihrer Welt ist es schwarz. Tiefschwarz.«
»Viola hat mich verstanden. Denken Sie nur an den Besuch in der
Galerie. Dort sind zwei Universen aufeinandergetroffen, die zueinandergehören.
Das müssen doch auch Sie gespürt haben?«
»Sie haben sie fast umgebracht.«
»Sie verstehen mich immer noch nicht, Borsch. Ich wollte eins werden
mit Ihrer Viola. Mich mit ihrer Seele verbinden. Aber Sie haben es mir nicht
erlaubt. Das werde ich Ihnen nicht verzeihen. Und dafür werden Sie bezahlen.«
Van Bommel lachte meckernd. »Und wissen Sie was? Das Bild, das ich
Viola geschenkt habe, Sella, ist das Sinnbild unserer gemeinsamen
Zukunft.«
»Sie sind krank, van Bommel.«
»Sie wollen sich nur nicht eingestehen, dass Sie Viola niemals so
erreichen können, wie ich sie erreicht habe. Viola gehört mir. Immer dann, wenn
Sie Viola sehen, werden Sie auch mich sehen.«
»Sie können mich nicht erreichen, van Bommel.« Franks Stimme klang
fest, obwohl er vor Wut zitterte.
»Wie geht es Cengiz?«
Frank erstarrte.
»Sehen Sie, jetzt haben Sie doch Angst.«
»Was ist mit Cengiz? Woher kennen Sie seinen Namen?«
»Der kleine Kioskbesitzer hat gezittert wie Espenlaub.«
Frank stoppte die Aufnahme. »Ich weiß nicht, wie Sie das geschafft
haben, aber ich werde es herausbekommen. Und eines sage ich Ihnen: Wenn Sie
Cengiz auch nur ein Haar krümmen, mach ich Sie fertig. Mit meinen eigenen
Händen.«
»Ich wollte Ihnen beweisen, dass ich jederzeit in Ihrer Nähe bin.
Cengiz ist nicht wichtig. Andere sind wichtig.«
»Lass die Finger von Lisa.«
»Oh, es muss nicht deine Freundin sein. Du siehst, ich weiß alles.
Ich kenne mich aus in deiner Welt und in deinen Gedanken. Es gibt andere, die
mich genauso interessieren. Was ist mit deiner lächerlichen Band? Claus zum
Beispiel, was ist, wenn er in der Erft ersäuft? Oder, wie heißt der Bassist? Wimo?
Was ist, wenn er mit dem Auto auf dem Nachhauseweg gegen einen Baum fährt? Oder
Ecki im Hardter Wald von einem Baum erschlagen wird, seine Marion vor ein Auto
läuft? Was ist, wenn Schrievers um seine Gertrud trauern muss?«
»Hör auf, van Bommel«, flüsterte Frank.
»So ist es gut, Borsch. Angst ist ein schlechter Ratgeber. Ich werde
dir so viel Angst machen, dass du morgens nicht mehr weißt, ob du den Abend
noch erlebst.«
Frank sprach schleppend, aber dafür umso eindringlicher. »Van
Bommel, ich werde dich
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