Schweinsgalopp
der mit einem Beutel voller Warzen herumläuft, ist nicht absurder als jemand, der für Geld Kinderzähne abholt.«
»Ja, aber was ist mit dem Sockenvertilger?« fragte der Professor für unbestimmte Studien. »Der Quästor meinte, er hätte immer geglaubt, daß jemand seine Socken frißt. Und zack – plötzlich existiert das Biest.«
»Wir alle haben an ihn geglaubt, nicht wahr? Zumindest ich. Es schien die beste Erklärung dafür zu sein, daß ich im Lauf der Jahre so viele Socken verloren habe. Ich meine, wenn sie einfach nur hinten aus der Schublade gefallen wären, müßte sich inzwischen ein ganzer Berg angesammelt haben.«
»Ich weiß, was du meinst«, warf Ponder ein. »Es ist wie mit Bleistiften. Inzwischen habe ich bestimmt Hunderte davon gekauft, aber wie viele von ihnen haben wir bis zum Stummel benutzt? Ich habe mich dabei ertappt, mir ein Wesen vorzustellen, daß sich heranschleicht und Bleistifte frißt…«
Eine leises Klingeling ertönte. Ponder erstarrte.
»Was war das?« fragte er. »Soll ich es wagen, mich umzudrehen? Sehe ich dann ein schrecklicher Ungeheuer?«
»Sieht eher wie ein verwirrter Vogel aus«, sagte Ridcully.
»Mit einem sehr sonderbar geformten Schnabel«, fügte der Dozent für neue Runen hinzu.
»Wenn ich doch nur wüßte, wer das komische Klimpern verursacht«, brummte der Erzkanzler.
Der o Gott hörte aufmerksam zu, und das erstaunte Susanne. Er wirkte überhaupt nicht skeptisch, sondern schien bereit zu sein, alles sofort zu glauben. Noch nie zuvor hatte sie auf diese Weise sprechen können, worauf sie den Zuhörer auch hinwies.
»Vermutlich liegt es daran, daß ich keine vorgefaßten Meinungen habe«, sagte Gallig. »Die hat man bei meiner Erschaffung vergessen.«
»Nun, jetzt weißt du jedenfalls Bescheid«, erwiderte Susanne. »Ich habe ganz offensichtlich keine… physischen Merkmale geerbt. Vermutlich sehe ich die Welt nur aus einer gewissen Perspektive.«
»Aus welcher?«
»Nun… ich muß nicht auf Barrieren achten. Damit meine ich das hier.«
Susanne schloß die Augen – sie fühlte sich besser, wenn sie nicht sah, was sie anstellte. Ein Teil von ihr beharrte darauf, daß so etwas unmöglich war.
Sie spürte ein kühles Prickeln.
»Was hast du gerade beobachtet?« fragte sie und hielt die Augen noch immer geschlossen.
»Äh… deine Hand ist durch den Tisch gedrungen«, sagte der o Gott.
»Na bitte.«
»Äh… ich nehme an, daß die meisten Menschen nicht dazu fähig sind, oder?«
»Nein!«
»Du brauchst nicht gleich zu schreien. Ich habe nicht viele Erfahrungen mit Menschen. Sie beginnen damit, daß die Sonne durch den Spalt zwischen den Vorhängen scheint. Und dann wünschen sie sich, vom Nichts verschlungen zu werden. Ich meine die Menschen, nicht die Vorhänge.«
Susanne lehnte sich auf ihrem Stuhl zurück und wußte, daß ein kleiner Teil von ihr sagte: JA, DIES IST EIN STUHL. ER HAT FESTE, REALE SUBSTANZ. MAN KANN DARAUF SITZEN.
»Und das ist noch nicht alles«, sagte sie. »Ich kann mich an Dinge erinnern. An Dinge, die noch nicht geschehen sind.«
»Kann doch recht nützlich sein, oder?«
»Nein! Weil ich nie weiß, wie… Stell dir vor, du siehst die Zukunft durchs Schlüsselloch. Du erkennst das eine oder andere, aber du weißt nicht, was es damit auf sich hat – bis die Zukunft zur Gegenwart wird, wodurch sich erst ein einheitliches Bild ergibt.«
»Ich schätze, daß dies manchmal zu Problemen führt«, kommentierte der o Gott höflich.
»Und ob. Das Warten ist dabei besonders schlimm. Ständig halte ich nach einem der Dinge Ausschau, die ich in den Erinnerungen an die Zukunft gesehen habe. Ich meine, ich erinnere mich dabei nicht an irgend etwas Nützliches, nur an kleine Hinweise, die erst dann einen Sinn ergeben, wenn es zu spät ist. Weiß du wirklich nicht, warum du ausgerechnet im Schloß des Schneevaters erschienen bist?«
»Nein. Ich entsinne mich nur daran, ein… Kannst du dir etwas unter dem Begriff ›körperloser Geist‹ vorstellen?«
»Ja.«
»Gut. Dann weißt du vielleicht auch, was ich mit ›körperlosem Kopfschmerz‹ meine. Tja, einen Augenblick später liege ich plötzlich auf einem Rücken, den ich bis eben gar nicht hatte, noch dazu in einer kalten weißen Masse, die ich zum erstenmal sehe. Ich nehme an, wenn ein Gott wie ich erschaffen wird, muß er irgendwo erscheinen.«
»Und zwar dort, wo jemand fehlte, der eigentlich dort sein sollte«, murmelte Susanne.
»Wie bitte?«
»Der Schneevater
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