Schweinskopf al dente - Falk, R: Schweinskopf al dente
Schweinskopf natürlich Beweismaterial ist. Logisch. Ausschauen tut es furchtbar hier, ehrlich. Auf diesen blütenweißen Laken dieser blutverklebte Saukopf. Passt einfach nicht. Wobei der Gesichtsausdruck ganz entspannt ist. Also der von der Sau, mein ich. Ja, direkt freundlich sogar. Unter den zwei Nasenlöchern ein entspanntes Lächeln, könnte man meinen. Keinerlei Panik |54| in der Mimik. Aber unappetitlich eben schon irgendwie.
»Es ist der Pate«, sagt der Moratschek und erschreckt mich damit zu Tode. Steht einfach plötzlich im Türrahmen und faselt unverständliches Zeug.
»Welcher Pate?«, frag ich.
»Na, der vom Fernsehen halt. Der mit dem Corleone, dem Marlon Brando, wissen S’ schon.«
»Das war aber ein Pferdekopf.«
»Pferdekopf … Schweinekopf … was spielt denn das für eine Rolle. Jedenfalls ist es grauenvoll.«
»Besonders für die Sau.«
»Bitte, bringen S’ mich weg da!«
Der werte Richter bibbert an Händen und Füßen. Also such ich seinen Mantel und verfracht ihn und den Richter in den Streifenwagen. Dann fahr ich zum Wolfi. Dort kriegt er ein Schnapserl für die Nerven und ein Gespräch mit dem Simmerl und dem Papa. Die wollen alles wissen. Über jede einzelne Borste sozusagen.
Ich fahr natürlich wieder zurück und ruf davor noch schnell in der PI Landshut an.
»Beim Moratschek schon wieder?«, sagt der Kollege in der Einsatzzentrale und lacht. »Da waren wir doch erst wegen einer ominösen Nachricht auf der Windschutzscheibe.«
»Und jetzt liegt ein Schweinskopf in seinem Bett«, sag ich.
»Ja, klar«, sagt der Blödmann und lacht dreckig. »Ich schick ein paar Leute mit Kamera und Pipapo.«
Wie ich ankomm, sind sie schon da, die werten Kollegen, und wir schreiten zum Tatort. Was aber die ganze Sache einigermaßen mysteriös macht, ist, dass der Schweinskopf jetzt weg ist. Das Kopfkissen blutig, aber nicht arg, könnte gut auch von Nasenbluten sein, aber weit und breit kein |55| Schweinskopf mehr. Das ist ja lustig. Das heißt, so lustig dann auch wieder nicht, weil mich die Kollegen halt schon anschauen, wie wenn
ich
eine Schraube locker hätt. Wir durchsuchen jeden beschissenen Winkel in allen fünfzehn Räumen, aber nix. Gar nix. Von einem Schweinskopf ganz zu schweigen. Nicht mal der Ludwig wittert was. Der liegt mit der Schnauze auf dem blutigen Kopfkissen und trauert seiner Beute nach.
Die Kollegen verdrehen die Augen in alle Richtungen und blasen schließlich zum Rückzug. Und für mich gibt’s hier eigentlich auch nicht mehr wirklich was zu tun.
Zurück beim Wolfi ist die Stimmung ziemlich gut. Der Moratschek berichtet voller Inbrunst von seinen aktuellen Erlebnissen, und der Papa und der Simmerl kleben an seinen Lippen. Da mag ich mit meiner Verlustmeldung gar nicht erst reinplatzen. Der Flötzinger klebt ebenfalls an Lippen, aber das sind die von der Frau Beischl. Ich brauch nun auch dringend einen Schnaps für den Magen, und dann möcht ich heim. Weil morgen nämlich wieder ein neuer Tag ist. Und der beginnt bekanntlich mit dem Ende der Nacht. Und die liegt mittlerweile eh schon in den letzten Zügen. Also brech ich mit dem Ludwig auf. Die illustre Männerrunde will noch bleiben, weil sie sich gern noch ihrem Schweinskram hingibt.
Zwei Stunden später steh ich aufrecht im Bett, und schuld dran, wie könnt es anders sein, sind wieder mal meine Freunde aus Liverpool. Ich stampf also durch den Hof mit wutentbrannten Schritten – und zielstrebig dem Gejaule entgegen. Der Moratschek und der Papa sitzen am Boden, völlig entspannt, inmitten der komplett ausgebreiteten Plattensammlung. Man kann keinen Schritt mehr tun, ohne auf irgendeinen Oldie zu treten. Der Papa sitzt mit dem Rücken zu mir. Aber der Moratschek kann mich gut sehen.
|56| »Eberhofer!«, schreit er begeistert und winkt zu mir rüber.
»Ja?«, schreit der Papa und schaut ihn an. Dann aber dreht er sich langsam zu mir um.
»Wag es nicht!«, sagt er noch, aber es ist schon passiert.
Nachdem mein Magazin leer ist, kann von Entspannung keine Rede mehr sein. Der Papa wetzt auf allen vieren herum, umarmt zuerst seinen desolaten Plattenspieler und sammelt dann sämtliche Scherben vom Boden auf. Und der Moratschek hüpft noch immer von einem Bein auf das andere, dabei ist das Magazin ja längst leer.
Ich geh in meinen Saustall zurück und versuche weiterzuschlafen. Eine Zeit lang klappt das auch ziemlich gut. Dann aber läutet mein Telefon. Es ist fünf Uhr zwanzig, und es ist zum
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