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Schwemmholz

Schwemmholz

Titel: Schwemmholz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Ritzel
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die Luft blieb ihm weg. Blind fasste er durch die Gischt nach dem Griff der Boje, sie schwebte einen Tangoschritt weg von ihm in die Nacht und wurde von einer Welle zurückgeworfen, mit letzter Anstrengung schlug seine Hand durch das Wasser und erwischte ein glattes glitschiges Stück Holz, seine Hand rutschte ab, er packte noch einmal zu und spürte den Ansatz eines Astes, der Ast und der ganze Stamm drehten sich nach unten, als er sich daran hochzuziehen versuchte, die Beine sackten unter ihm weg, mit beiden Armen klammerte er sich an den Stamm und versuchte, wieder Atem zu schöpfen.

     
    Vorsichtig schob sich das Polizeiboot durch Wasser, Gezweig und Äste. Durch das Infrarotglas sah Tamar kleine Wellen, über die sich immer wieder ein zerknittertes Muster schob. Als ob auf dem See ganze Matten von Schwemmholz dümpelten. Steuerbords tanzte eine Boje auf dem Wasser. »Näher können wir nicht ran«, sagte der Schiffsführer. »Wir . . .«
    »Moment«, unterbrach ihn Tamar. »Machen Sie die Suchscheinwerfer an.«
     
    Da vorne war eine Boje, dachte Berndorf, da muss eine Untiefe sein, es ist nicht mehr tief genug, dass Schiffe fahren könnten, das Ufer kann also nicht mehr so weit sein. Er versuchte, danach Ausschau zu halten, aber zwischen den Wellenkämmen sah er nur einen dunklen Streifen, immerhin konnte er erkennen, dass dort Wald war, vielleicht auch Weiden, die im Wasser standen, Scheinwerferlicht strich darüberhin und ließ die Weidenbäume ganz nahe aussehen, wieso war hier Scheinwerferlicht? Es gibt keine Leuchttürme an diesem Teil des Ufers. Nach Luft schnappend wandte Berndorf den Kopf, lange würde er sich hier nicht mehr halten können, das Ufer schien so nahe und für ihn doch so unerreichbar weit, der Lichtschein tastete sich suchend über das dunkle, aufgewühlte Wasser und setzte sich an der Boje fest und blendete Berndorf.
     
    »Das war knapp«, sagte Schweitzer. Er saß rittlings auf einem umgedrehten Stuhl der Polizeidirektion Friedrichshafen und sah Berndorf zu, der gerade aus einem Steingutbecher einen heißen Tee schlürfte, den ihm ein hilfsbereiter Polizist aus der Wache mit einem kräftigen Schuss Kirschgeist versetzt hatte. Berndorf steckte in einem blaugrünen Trainingsanzug mit der Aufschrift »Wasserschutzpolizei Baden-Württemberg«, und sein halb getrocknetes Haar war akkurat gescheitelt.
    Berndorf blickte zu Schweitzer hoch, sagte aber nichts.
    Dass das knapp war, wissen wir selber, dachte Tamar.
    »Ich begreife noch immer nicht, wie du in dem Treibholz hast schwimmen können.«

    »Schön, dass du das Schwimmen nennst«, meinte Berndorf.
    »Geritten bis du nicht. Das war ein anderer und der hatte es noch kälter.«
    Berndorf fühlte nach der Beule, die ihm einer der schwimmenden Baumstämme beigebracht hatte, und verzog das Gesicht.
    Und du wardst nicht die Speise der stummen Brut?
    Der hungrigen Hecht’ in der kalten Flut?
    Uhland? Schwab? Lausige Lyrik jedenfalls.
    »Sie haben dich vor dem Eriskircher Ried gefunden«, fuhr Schweitzer fort. »Dort geht die Flachwasserzone ziemlich weit hinaus. Der Schiffsführer konnte nicht schneller an das Schlauchboot heran, das müsst ihr verstehen.«
    »Mir war es tief genug«, knurrte Berndorf. »Aber du musst die Kollegen nicht entschuldigen. Gewiss nicht. Ich werde einen Freundeskreis der Wasserschutzpolizei ins Leben rufen. Und wenn es sein muss, werde ich auf den Wochenmärkten Reden halten und Spenden sammeln, auf dass sie immerfort wärmende Trainingsanzüge und Schnapsflaschen bereithaben für die schiffbrüchigen Schlauchbootfahrer.«
    Der arme alte Mann, dachte Tamar. Es war zu viel für ihn. Wir werden ihn in die Registratur tun müssen.
    »Dieses Weib ist weg?«
    »Ja«, antwortete Schweitzer. »Leider. Vermutlich ist sie vor dem Friedrichshafener Fähreparkplatz an Land gegangen.«
    »Und jetzt willst du mir sagen, dass sie die Fähre in die Schweiz genommen hat?«
    »Das nicht. Die ist heute Abend nicht mehr ausgelaufen. Außerdem hätten wir die Schweizer Kollegen gebeten, sie festzuhalten. Auf dem kleinen Dienstweg geht das.«
    »Was ist mit der Bahn?«
    »Sie hätte den Regionalzug nach Lindau nehmen können. Der Bundesgrenzschutz hat deshalb den Zug überprüft. Negativ.« Berndorf trank seinen Tee aus und blickte zu den Radiatoren der Zentralheizung, auf denen seine nasse Hose vor sich hin troff. Er stand auf, ging zu den Heizrippen und griff in
eine der Hosentaschen. »Das war die falsche«, sagte er und holte aus

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