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Schwere Wetter

Schwere Wetter

Titel: Schwere Wetter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannes Nygaard
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ist das ins Stocken
geraten. Unser Herr Wullenweber hat sich mit dem Vorgang befasst.«
    »Hat?« Lüder waren
die Zwischentöne nicht verborgen geblieben.
    Frau von
Rittershagen nickte ernst. »Er hatte in der vergangenen Woche einen Unfall.«
    »Schlimm?«
    Sie wich Lüders
Blick aus und sah aus dem Fenster. Dabei spielte sie gedankenverloren mit ihren
Fingern und drehte den Ring mit dem Lapislazuli.
    »Es war ein
tödlicher Unfall. Herr Wullenweber ist noch an der Unfallstelle verstorben.«
    »Können Sie mir
ein paar Einzelheiten nennen?«
    »Nein, leider
nicht. Ich habe nur das gehört, was uns allen hier bekannt ist. Ich bin auch
ganz froh, nicht mit hineingezogen worden zu sein. Marc Wullenweber hinterlässt
eine Frau und zwei kleine Kinder, davon ist eines noch nicht einmal
schulpflichtig.« Frau von Rittershagen schluckte, bevor sie fortfuhr. Dann sah
sie Lüder an. »Ist es nicht merkwürdig, dass der Unfall ausgerechnet auf der
Fahrt nach Rendsburg passierte?«
    »Rendsburg?«,
fragte Lüder.
    »Na ja, gleich
nebenan. Nach Büdelsdorf. Herr Wullenweber wollte zur ›securus consulting‹.«
    »Und auf diesem
Weg ist der Unfall geschehen?«
    »Jaaa.« Frau von
Rittershagen dehnte die Antwort, als würde ihr die gleiche Frage in den Sinn
kommen, die Lüder beschäftigte. Plötzlich veränderte sich ihre Miene. »Das kann
doch nicht sein«, sagte sie mit belegter Stimme. »Wullenwebers Variant ist
angeblich von einem unbekannten Fahrzeug gerammt worden, von der Fahrbahn
abgekommen und gegen mehrere Bäume geprallt.«
    »Unbekannt?«,
fragte Lüder.
    Sie nickte heftig.
»Ja. Fahrerflucht.«
    »Gab es Drohungen
gegen das Landeszentrum für Datenschutz, den Datenschutzbeauftragten oder gegen
Herrn Wullenweber?«
    Frau von
Rittershagen schüttelte den Kopf, dass die schulterlangen Haare hin und her
flogen. Die Frau mochte die fünfzig überschritten haben, dachte Lüder, war aber
eine attraktive und gepflegte Erscheinung. Sicher waren die dunkelblonden Haare
mit den etwas helleren Strähnen gefärbt. Aber Make-up und Lippenstift waren
dezent aufgetragen. Sie nahm die Brille, die sie an einer Kette um den Hals
trug, und setzte sie auf.
    »Nein. Davon ist
mir nichts bekannt. Es gibt immer wieder Firmen oder Einzelpersonen, denen es
nicht passt, wenn wir ihnen auf die Finger schauen. Aber die Fälle sind nicht
so gravierend, dass daraus Drohungen gegen uns erwachsen. Manche Sachen dringen
an die Öffentlichkeit und ziehen das Interesse der Medien auf sich. Denken Sie
an die Kameraüberwachung der Personalumkleideräume bei einer bekannten
Drogeriekette, das Ausspionieren einzelner Arbeitsplätze durch versteckte
Kameras, das Mitlesen privater Mails durch Vorgesetzte am Arbeitsplatz. Das
sind Fälle, in denen wir einschreiten. Das ist für die Betroffenen unangenehm,
wenn sie ins Licht der Öffentlichkeit gezogen werden.«
    »Ist Ihr Amt nicht
auch ein politisches?«, fragte Lüder.
    Frau von
Rittershagen kniff kurz das linke Auge zusammen, eine Geste, die besagen
sollte, dass dieses ein heikles Thema sei.
    »Das ist ein
weites Feld. Es gibt viele Begehrlichkeiten, Daten zu sammeln und auszuwerten.
Die Sammelwut ist beim Staat und bei öffentlichen Einrichtungen ebenso
vorhanden wie bei privatwirtschaftlichen Institutionen. Man muss unterscheiden
zwischen dem, was die Menschen freiwillig an Informationen preisgeben, und dem,
was hinter ihrem Rücken geschieht.«
    »Spielen Sie auf
das Thema Vorratsdatenspeicherung an?«, fragte Lüder.
    Sie winkte ab.
»Dazu möchte ich mich nicht äußern. Das ist Ihr Thema. Daran sind die
Strafverfolgungsbehörden und Verfassungsschutzeinrichtungen interessiert. Es
stellen sich aber andere Fragen.«
    »Sie meinen das
Geldwäschegesetz?«
    »Unter diesem
Vorwand sammelt der Staat Daten aller seiner Bürger über den finanziellen und
wirtschaftlichen Status. Ist es gerechtfertigt, Millionen Kontodaten
staatlichen Einrichtungen offenzulegen? Soll das Finanzamt wissen, wem Sie
Vollmacht für Ihr Konto erteilt haben? Wenn Sie den Goldschmuck Ihrer Frau
verkaufen, müssen Sie sich mit Ihrem Ausweis legitimieren. Glauben Sie
wirklich, Terroristen finanzieren sich durch Omas Erbstücke?«
    Lüder nickte nachdenklich.
Es war schwer, die Grenze zwischen dem legitimen Interesse des Staates und dem
unkontrollierten Kontrollwahn zu ziehen. Wenn man die gesammelten Daten eines
Menschen zusammenbrachte, was technisch nicht schwierig war, konnte man mehr
über das einzelne Individuum erfahren, als

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