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Schwere Wetter

Schwere Wetter

Titel: Schwere Wetter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannes Nygaard
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einzugehen. Dann kehrte
er in sein Büro zurück und rief Dr. Diether an.
    »Wie hält Ihre
Frau es eigentlich mit Ihnen aus?«, fragte der Arzt zur Begrüßung.
    »Sie ist meine
Frau, weil sie es mit Ihnen sicher nicht ertragen hätte.«
    »Sagen Sie das
nicht.« Dr. Diether lachte schallend. »Ein Pathologe zum Ehemann, das hat
unschätzbare Vorteile. Wer sonst kann so meisterhaft die Weihnachtsgans
tranchieren? Sie wollen aber sicher etwas anderes hören. Soll ich raten? Den
toxikologischen Befund.«
    »Ermitteln Sie
Ihre Untersuchungsergebnisse immer auf diese Weise, ich meine, als Hellseher,
oder liegen dem schon medizinisch fundierte Erkenntnisse zugrunde?«
    »Darum geben wir
Blutuntersuchungen ja auch an das Labor ab«, erklärte der Arzt. »Damit
wenigstens etwas in unserem Bericht stimmt. Wie ich schon vermutet habe, wurde
Dustin McCormick betäubt. Das erste Anzeichen war die unscheinbare
Einstichstelle am Hals. Die Blutanalyse hat ergeben, dass das Opfer mit
Propofol sediert wurde. Das ist eine weiße Flüssigkeit, die man zur
Kurzzeitnarkose nutzt, zum Beispiel bei Magenspiegelungen und bei der
Koloskopie. Für Sie als Jurist: Das ist eine Untersuchung durch den
Hintereingang. Angeblich soll Michael Jackson an einer Überdosis Propofol
gestorben sein. Das Mittel wirkt heftig, ist im Allgemeinen gut verträglich –«
    »Diese Meinung
wird Dustin McCormick nicht teilen«, warf Lüder ein.
    »Den zu befragen
ist Ihre Aufgabe. Lassen Sie mich seine Meinung wissen, wenn er noch eine hat.
Ich kann es mir so vorstellen, dass das Opfer sediert wurde. Warum er sich
gegen den Einstich im Hals nicht gewehrt hat, kann ich nicht sagen. Propofol
hat keine Langzeitwirkung. Rechnen Sie mit einer guten halben Stunde. Wenn der
oder die Täter McCormick sediert haben, so frage ich mich, warum.«
    »Wollte man ihm
die Qual des Ertrinkens ersparen?«, dachte Lüder laut nach. »Wenn man ihm das
Mittel in den Hals gespritzt hat, um ihn zu betäuben, muss man ihn zuvor auf
irgendeine Weise überwältigt haben. Und damit er sich gegen den Einstich nicht
wehrt, war er sicher schon gefesselt. Ich kann mir nur vorstellen, dass man
McCormick nicht bei Bewusstsein ertränken wollte. Wenn man aber dennoch diese
außergewöhnliche Mordmethode gewählt hat, muss es damit eine besondere
Bewandtnis haben. Was wollte man uns damit sagen? Welches Zeichen sollte damit
gesetzt werden?«
    Lüder berichtete
von seiner Vermutung, dass der Anschlag auf Marc Wullenweber im Zusammenhang
mit dem Mord am Kanal stehen könnte.
    »Wenn ich Sie
richtig verstanden habe, war der erste Mord, also der auf der Autobahn, ein
ganz profanes Rammen. Hmh. Soll das auch ein Zeichen sein, das man mit dieser
Art des Tötens setzen wollte?«, fragte Dr. Diether.
    »Nein«, erwiderte
Lüder. »Das war schiere Verzweiflung. Man wollte einfach verhindern, dass
Wullenweber mit den Leuten von ›securus consulting‹ in Büdelsdorf spricht.
Warum, kann ich noch nicht sagen.«
    Der Arzt wünschte
Lüder viel Erfolg bei den weiteren Ermittlungen. »Und empfehlen Sie uns nicht
unbedingt weiter«, schloss er.
     
    Anschließend
suchte Lüder Hauptkommissar Helge Thiel auf, dessen Büro ein paar Türen weiter
auf demselben Flur lag.
    »Moin, Herr
Thiel.«
    Der Hauptkommissar
mit den grauen Haaren und der immer deutlicher zum Vorschein tretenden Tonsur
auf dem Hinterkopf sah von seinem Schreibtisch auf.
    »Hallo, Herr Dr.
Lüders. Was führt Sie zu mir?«
    »Ihr überaus
fundiertes Wissen um die Szene.«
    Thiel lachte. »Um
welche?«
    »Das ist bei Ihnen
doch gleich. Sie sind in jeder bewandert.«
    Noch einmal lachte
der Hauptkommissar auf. »Ich bin männlich. Bei mir verfangen solche
Schmeicheleien nicht.«
    »Es geht um die
Hackerszene. Sagt Ihnen die Gruppe ›personality protecting‹ etwas?«
    »Ja, schon.« Thiel
nahm seine Halbbrille ab und nuckelte am Bügel. »Sie hat bei uns
Beobachtungsstatus. Strafrechtlich sind die noch nicht in Erscheinung getreten,
zumindest konnten wir ihnen noch nichts nachweisen. Dahinter verbirgt sich eine
Gruppe überwiegend junger Leute, die vermutlich politisch linksradikal
orientiert sind. Allen Mitgliedern ist gemein, dass sie sehr gut ausgebildet
und technisch versiert sind. Ich meine: Informationstechnologie. Das sind
Computerfreaks. Nach außen vertreten sie die These, dass die Menschen vor dem
informellen Zugriff des Staates, aber auch großer Konzerne wie Banken und
Handelshäuser geschützt werden müssen. Da sich – nach

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