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Schwere Wetter

Schwere Wetter

Titel: Schwere Wetter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannes Nygaard
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deren Auffassung –
niemand dieser Interessen annimmt, wollen sie durch spektakuläre Aktionen die
Menschen wachrütteln.«
    »Haben solche
Aktionen schon stattgefunden?«
    »Möglicherweise.
Bisher konnte der Gruppe noch nichts nachgewiesen werden, da sie sich noch
nicht mit Erfolgen gebrüstet hat.«
    »Ist das eine Art
Greenpeace für die Informationstechnologie?«, fragte Lüder.
    Thiel schüttelte
den Kopf. »Greenpeace ist gesellschaftsfähig, wenn deren Aktionen auch
gelegentlich am Rande der Legalität ablaufen und rechtlich umstritten sind wie
zum Beispiel die Aktion des Versenkens von Steinen vor der Küste Sylts, um die
dortigen Fischer am Ausbringen von Grundschleppnetzen zu hindern.«
    »Wodurch ist
›personality protecting‹ denn in Erscheinung getreten?«
    »Durch
Ankündigungen, in Netzwerken wie Facebook oder Twitter. Es gibt Blogs, aber
auch Sympathiebekundungen in einschlägigen wie politischen Foren. Wir
beobachten mit Sorge, dass sich dort etwas aufschaukelt, und befürchten, dass
der Diskussion eventuell Taten folgen könnten, zum Beispiel ein Hackerangriff
gegen Staat und Wirtschaft.«
    »Was wird
diskutiert?«, wollte Lüder wissen.
    »Tja, das ist
natürlich etwas kraus, und nicht alles darf man für bare Münze nehmen. Unser
Problem ist es herauszufiltern, wo nur gebellt wird, ohne dass Substanz
dahintersteckt, und wo ernst zu nehmende Bedrohungen angekündigt werden. Die
Gefahr, die von Cyberterroristen droht, ist nicht zu unterschätzen. Es sind zum
einen Freaks, die Spaß daran finden, Würmer, Viren und Trojaner in die Welt zu
setzen, und es sind Kriminelle, die andere Computer ausforschen und
missbrauchen, das sogenannte Phishing, also das Ausspionieren von Passwörtern
und Kontonummern, denken Sie an die große Szene der Beleidigungen und
Verleumdungen. Man hat schon Leute in den Tod gehetzt, weil man im Netz Lügen
über sie verbreitet, ihnen Kriminelles oder Widerwärtiges angedichtet hat.
Ganze Heerscharen von Schülern werden gemobbt, von Lehrern ganz zu schweigen.
Im anonymen Internet können Sie Existenzen vernichten. So hat irgendjemand im
Netz behauptet, auf dem Hinterhof eines Chinarestaurants Dosen von Hundefutter
gefunden zu haben. Besondere Bedrohungen gehen von Kriminellen oder Terroristen
aus. Sie können die Wirtschaft, die Versorgung mit Strom und Wasser, die
Verkehrsinfrastruktur eines Staates lahmlegen, aber auch seine
Verteidigungsbereitschaft. Nicht umsonst haben die Amerikaner gedroht, einen
Cyberangriff auf ihr Land einem konventionellen Angriff gleichzusetzen und in
einem solchen Fall Vergeltung zu üben.«
    Thiel stand auf,
hielt sich mit beiden Händen das Kreuz, drückte es durch und stöhnte leise.
Dann stützte er sich auf die Schreibtischplatte und fuhr fort.
    »Ich fürchte, es
ist den Menschen im Land überhaupt nicht bewusst, wie abhängig wir mittlerweile
vom Computer geworden sind. Wehe, wenn dieses System zusammenbricht. Was meinen
Sie, welche Unruhe entsteht, wenn wir alle eine Woche – nur eine Woche – kein
Geld mehr aus den Geldautomaten abheben könnten. Selbst wenn versichert würde,
dass es sich nur um ein technisches Problem handelt, würden es die Bürger nicht
verstehen. In Anbetracht der globalen Finanzkrise würde ein Run auf die Banken
stattfinden, die Leute würden sich ihre Guthaben bar auszahlen lassen, und
unsere schöne und als grundsolide und stabil beschriebene Wirtschaft würde
zusammenbrechen.«
    Noch einmal
stöhnte Thiel leise, bewegte seinen Rücken und setzte sich wieder.
    »Dieses Chaos
können Sie nicht wieder beheben. Sie könnten nicht mehr einkaufen, weil heute
alles über rechnergestützte Kassensysteme läuft. Flugzeuge, Züge und
Ampelanlagen würden ausfallen, im Stromnetz gäbe es keine Lastenverteilung
mehr, ganz zu schweigen von den Folgen in den Krankenhäusern. Haben Sie einmal
darüber nachgedacht, wie viele Schwerstkranke nur mit Hilfe von
computerunterstützten Systemen überleben?«
    Thiel hielt
versonnen inne, setzte die Brille auf und betrachtete Lüder über den Rand.
    »Das war ein
leidenschaftliches Plädoyer«, sagte Lüder.
    »Es kann einem
auch bange werden, wenn man sich vorstellt, in welcher Weise wir uns der
Allmacht und dem Diktat des Computers ausgeliefert haben. Das, was ich in
Kurzform und sehr gestrafft ausgeführt habe, waren ja nur die allgemeinen
Bedrohungen, die von außen. Und das sehr grob und bei Weitem nicht vollständig.
Man wundert sich, wie leichtfertig die Menschen

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