Schwere Wetter
Gespräch hatte nicht
das ergeben, was er gern gehört hätte. Offenbar war es in asiatischen Familien
nicht anders als in einheimischen. Lüder wurde immer deutlicher bewusst, dass
er auch vieles von dem, was seine Kinder machten, nicht mitbekam, manche
Entwicklungen an ihm vorbeigingen. Wenn er es selbstkritisch betrachtete, war
es in seiner Jugend nicht anders gewesen, auch wenn er damals im Glauben war,
dass sein Vater, der bodenständige Handwerksmeister, sich nicht für die
bewegenden Ereignisse interessierte, die außerhalb seiner Heimatstadt
Kellinghusen passierten.
Heute sah er
vieles anders.
Er hörte seine
Mailbox ab. Jonas hatte ihm eine Nachricht aufgesprochen. »Hi, Lüder. Was
wolltest du vom Direx? Hat er was gesagt? Bestimmt war das übertrieben. Der ist
total uncool. Wir können da gelegentlich drüber reden. Heute geht nicht. Hab
keine Zeit. Ach – morgen auch nicht. Noch was. Musst ja nicht Mama erzählen.
Das ist nicht gut für ihre Nerven. Tschau.«
Lüder schmunzelte.
Irgendetwas schien seinen Sohn zu bedrücken. Ihn plagte das schlechte Gewissen.
Jonas musste sich den ganzen Vormittag mit der Frage beschäftigt haben, weshalb
Lüder den Leiter seiner Schule aufgesucht hatte.
Margit hatte eine
kurze Nachricht hinterlassen und ihm mitgeteilt, dass sie ihn vermissen würde.
Außerdem bat Vollmers um Rückruf.
Lüder wählte die
Nummer in der Kieler Blumenstraße an und erfuhr, dass der Hauptkommissar zu
einem Einsatz unterwegs war.
Lüder probierte es
über die Handynummer.
»Ja, was gibt's?«
Es klang unwirsch. Im Hintergrund waren Fahrgeräusche vernehmbar.
»Sie baten um
Rückruf«, sagte Lüder.
»Ach, jetzt
erkenne ich Sie. Ich bin gerade unterwegs Richtung Lütjenburg. Todesfallsache.
Hat aber nichts mit unserem Fall zu tun. Vermutlich ein Beziehungsdrama. In
unserer Sache gibt es etwas Neues. Da ist was schiefgelaufen. Irgendwie hat die
Kommunikation nicht geklappt. Man hat den Mitsubishi Pajero schon in der
letzten Woche gefunden. Nordwestlich von Felde gibt es ein größeres Waldstück.
Der oder die Täter haben an der nächsten Ausfahrt in Bredenbek die Autobahn
verlassen und sind ein Stück die Kreisstraße gefahren. Dort liegen nur einzelne
Gehöfte am Weg. Nach einem Kilometer sind sie links abgebogen. Das nennt sich –
Moment – ah, ja, hier hab ich es. Rolfshörn. Dort sind sie in den Wald gefahren
und haben den Pajero angezündet.«
»Sie sprechen im
Plural«, fiel ihm Lüder ins Wort. »Das ist logisch, denn es waren mindestens
zwei. Einer hat den Pajero gefahren, ein Zweiter ist ihm gefolgt und hat seinen
Kompagnon im Wald aufgegabelt.«
»Das waren meine
Überlegungen«, sagte Vollmers. »Also. Die haben den Pajero abgefackelt.
Irgendwer hat den Feuerschein gesehen, und die Freiwillige Feuerwehr ist
angerückt und hat gelöscht. Der Sachverhalt wurde zunächst von der
Polizeistation Borgstedt aufgenommen und nach Neumünster abgegeben. Irgendwie
ist etwas schiefgelaufen, dass die Verbindung zu unserem Fall nicht hergestellt
wurde.«
»Das darf nicht
passieren«, schimpfte Lüder. »Wir suchen seit Tagen das Auto, mit dem
Wullenweber von der Fahrbahn gedrängt wurde. Und direkt vor unseren Augen liegt
es.«
»Nicht nur das. Es
war sogar in unserer Obhut. Natürlich ist es müßig, nach Spuren zu suchen.
Dafür haben wir es nicht nur über das Kennzeichen, sondern auch über die
Fahrgestellnummer eindeutig identifizieren können, dass es sich um den Pajero
handelt, der auf Dustin McCormick zugelassen war.«
»Der erste Wagen.
Und als der für den Mord an Wullenweber benutzt wurde, hat McCormick in aller
Eile einen zweiten gekauft.«
»Es wurde aber
kein Diebstahl angezeigt«, fügte Vollmers an.
»Warum nicht?«,
fragte Lüder. »Man könnte daraus die Vermutung ableiten, dass McCormick am
Unfallgeschehen beteiligt war. Um kein Aufsehen zu erregen, hat er sich ganz
schnell einen zweiten Wagen gekauft, der dem ersten entsprach. War McCormick so
naiv zu glauben, dass wir das nicht merken? Das passt nicht zu seinem sonstigen
Handeln, bei dem er sehr viel Sorgfalt darauf gelegt hat, keine Spuren zu
hinterlassen. Was geschieht hier?«, fragte Lüder. Die Frage war rhetorisch.
Deshalb antwortete Vollmers nicht.
»Die Leute von der
›securus consulting‹ hetzen McCormick die Polizei auf den Hals, nur weil er bei
denen am Zaun spazieren geht. Wenig später wird der Amerikaner ertränkt. Zuvor
wird Marc Wullenweber aller Wahrscheinlichkeit nach mit McCormicks
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