Schwere Wetter
Gewaltanwendung, und wenn es etwaige
Anhaftung von Fremdspuren gegeben hatte, so waren diese durch den Aufenthalt im
Wasser zerstört. Das Klebeband, mit dem man dem Opfer den Mund zugeklebt hatte,
war ein handelsübliches Paketband, das in jedem Supermarkt erhältlich war.
Lüder rief
Hauptkommissar Vollmers an.
»Wir sind nicht
viel weitergekommen. McCormick war unauffällig. Er ist nur wegen seiner
unzureichenden Deutschkenntnisse aufgefallen. Eine Kassiererin in einem der
Supermärkte in der Büdelsdorfer Hollerstraße glaubte sich an ihn zu erinnern. Glaubte . Heute sitzen oft Aushilfskräfte an der Kasse, die
ständig wechseln. Da ist es nicht verwunderlich, wenn alles anonym abläuft. Die
Rückfragen bei Restaurants, Pizzerias und Essschnelldiensten waren alle
negativ. Was mich am meisten stört, ist, dass McCormick keine Bankverbindung
hatte.«
»Das ist
mysteriös«, stimmte Lüder zu. »Das Auto wurde über Western Union bezahlt. Eine
ungewöhnliche Methode.«
»Meine Leute sind
derzeit dabei, die Tankstellen in der Umgebung des Wohnorts und rund um die Uni
abzuklappern. Vielleicht erinnert sich dort jemand an McCormick. Er muss ja
irgendwo getankt haben. Wie hat er dort bezahlt?«
»Probieren Sie es
auch in der Uni«, schlug Lüder vor. »Mensa. Auslagen, die er dort getätigt hat.
Wie hat er die Miete bezahlt?« Lüder überlegte einen Moment. »Die ganze Person
gibt uns Rätsel auf. Zum einen war McCormick für einen Erstsemester viel zu
alt. Außerdem hatte man auf der Uni den Eindruck, dass McCormick wesentlich
mehr Hintergrundwissen hatte, als es interessierte junge Leute mitbringen. Und
das große, für Studenten untypische Auto. Ich habe immer größere Zweifel, dass
der Amerikaner zum Studieren nach Kiel gekommen ist. Wenn er wirklich viel mehr
von der Materie verstand, als er den Uni-Leuten weismachen wollte, würde es
auch erklären, weshalb er keine Spuren hinterlassen hat. Wenn er sich
auskannte, wusste er, dass man all diese Dinge, nach denen wir jetzt suchen,
nachvollziehen kann. Aber warum hat sich McCormick wie ein Gespenst bewegt?
Nein, Herr Vollmers. Da steckt mehr dahinter. Was wollte der Mann hier? Und
warum wurde er auf diese ungewöhnliche Weise ermordet? Ich vermute, dass man
mit dieser Methode ein Zeichen setzen wollte. Um dem Opfer ein langes Leiden zu
ersparen, wurde er mit Propofol betäubt. Das war aber kein Fememord. Das waren
Profis.«
Vollmers wünschte
Lüder viel Spaß und knurrte, nur halb verständlich: »Und wir kümmern uns um den
Scheiß, den das LKA nicht erledigen will. Tolle
Arbeitsteilung. Man könnte natürlich auch meinen: LKA – Leider keine Ahnung.«
»Dabei sind wir
doch die Hochleistungszentrale zur Kriminalitätsbekämpfung«, erwiderte Lüder.
Es waren keine ernst gemeinten Scharmützel. Die Zusammenarbeit zwischen den
Dienststellen klappte hervorragend.
Lüder versuchte,
Jo Dellany vom amerikanischen Konsulat in Hamburg zu erreichen, aber der Mann
ließ sich verleugnen. Er fand auch keinen anderen Gesprächspartner.
»Mr.
Dellany will be back tomorrow« , erklärte ihm eine weibliche Stimme, die sich zudem standhaft
weigerte, Deutsch zu sprechen.
»Macht nichts, wir
haben Ihren Mitbürger auf Eis liegen. Das erneuern wir wöchentlich. Vielleicht
findet sich irgendwann jemand, der ihn haben möchte«, sagte Lüder süffisant.
Die Frau am
anderen Ende der Leitung gab nicht zu erkennen, ob sie ihn verstanden hatte.
Lüder beschloss,
noch einmal nach Büdelsdorf zu fahren. Zuvor wollte er aber einen Abstecher
nach Rendsburg unternehmen und sich nach Wu Zang Tian erkundigen.
Auf der Fahrt
beschlich ihn ein merkwürdiges Gefühl, als er auf der Autobahn die Stelle passierte,
an der man Marc Wullenweber abgedrängt hatte. Es war merkwürdig, dass man das
Fahrzeug des Unfallverursachers noch nicht gefunden hatte.
Kurz vor Rendsburg
hellte es sich ein wenig auf. Zwar war der Himmel immer noch bedeckt, und eine
herbstliche Sonne ließ sich noch nicht einmal erahnen, aber es hatte aufgehört
zu regnen.
Lüder fand im
Parkhaus Nienstadtstraße eine Abstellmöglichkeit für seinen BMW . Von dort waren es nur wenige Schritte bis ins
Zentrum der Stadt. Er warf einen Blick auf das liebevoll gestaltete
Schaufenster einer Confiserie, bevor er in die Fußgängerzone einbog. Zur
Rechten befand sich Rendsburgs »Wall Street«. Dort hatten sich konzentriert
mehrere Banken niedergelassen.
Neben der
Geschäftsstelle der Landeszeitung lag das schon lange
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