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Schwere Wetter

Titel: Schwere Wetter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruce Sterling
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spürte, wie das dicke Ventil in seiner Brust hüpfte und flatterte, als der Schlauch Kontakt bekam und sich weiterzwängte. Dann setzte die Betäubung ein, und ein großer Fleischklumpen hinter seinem Herzen wurde einfach gefühllos, ging ein ins Nichts wie ein Kerngehäuse, das mechanisch aus einem Apfel gestanzt wurde.
    Tränen traten ihm in die Augen. Er hörte eher, wie Dr. Mirabi Schalter drückte, als daß er es sah. Dann kam die Hitze.
    Er hatte gar nicht gewußt, daß Blut so heiß war. Die Flüssigkeit war heißer als Blut und viel, viel schwerer, wie zischendes, weiches, geschmolzenes Blei. Alex sah, wie die Flüssigkeit durch den Schlauch in ihn hineinfloß. Sie hatte eine künstliche, blaugrüne Färbung. »Atmen!« rief Dr. Mirabi.
    Alex schnappte nach Luft. Ein schauerlicher Rülpser löste sich tief in seiner Kehle, etwa wie der Schrei eines überdimensionalen Ochsenfroschs. Einen Moment lang wollte er lachen; sein Zwerchfell stemmte sich vergeblich gegen das flüssige Gewicht in seinem Innern, dann erschlaffte es.
    » El niño tiene un bulto en la garganta «, meinte Concepcíon im Plauderton. Sie legte ihm ihre latexumhüllte Hand auf die Stirn. »Muy doloroso.«
    »Poco a poco«, sagte Dr. Mirabi gestikulierend. Das Schneckengetriebe unter dem Tisch arbeitete, und Alex wurde in eine sitzende Haltung emporgehoben, wobei sich die Flüssigkeit in ihm mit der darmblähenden Trägheit eines Mahls mit neun Gängen verlagerte. Die Luft platzte zwischen seinen von Klammern gehaltenen Lippen hervor, und heißer, gummiartiger Schaum stieg zum oberen Gaumen hoch.
    »Gut«, sagte Dr. Mirabi. »Atmen!«
    Alex versuchte es erneut, mit hervorquellenden Augen. Sein Rückgrat knackte hörbar, und er fühlte, wie noch mehr dieser großen, widerlichen Luftblasen aufstiegen, stinkende alte Blasen wie vom Grund von LaBrea.
    Dann, auf einmal, erreichte der Sauerstoff das Gehirn. Alex' Hals und Wangen röteten sich wie bei einem Orgasmus. Einen köstlichen Moment lang vergaß er, was es bedeutete, krank zu sein. Er fühlte sich wundervoll. Er fühlte sich frei. Er fühlte sich losgelöst. Er war sich ziemlich sicher, daß er jeden Moment sterben würde.
    Er versuchte zu sprechen, irgend etwas daherzuplappern - einen Dank vielleicht, oder wenigstens ein paar Worte oder einen wilden Schrei nach mehr -, doch es kam nichts heraus. Seine Lunge war wie aus Gips und Knochenmehl gegossen, bis zum Rand angefüllt mit heißem Flüssiggummi. Seine Muskeln stemmten sich gegen die beiden straff gespannten Beutel voller Flüssigkeit wie Fäuste, die zwei Tennisbälle umklammerten, und in seinen Ohren war ein Dröhnen, und dann wurde es schwarz um ihn. Auf einmal hörte er sein mühsam schlagendes Herz, wumm-wumm, wumm-wumm, wobei jede Erschütterung der Herzkammern durch die mit Flüssigkeit gefüllten Lungenflügel mit dröhnender Unterwasserklarheit weitergeleitet wurde.
    Und dann hörte das Schlagen auf.
     
    Am Abend des 10. Mai erkundete Jane Unger ihr Ziel unter dem Vorwand, Heroin kaufen zu wollen. Sie verbrachte eine halbe Stunde in der Schlange vor der Klinik, in Gesellschaft elender, asthmatischer Yankees von der anderen Seite der Grenze. Die vor der Klinik schlangestehenden Kunden waren die schäbigsten, gruseligsten, erbärmlichsten Leute, die sie je gesehen hatte, ohne daß sie Kriminelle gewesen wären. Das Aussehen wirklicher Krimineller war Jane vertraut, denn das weitverzweigte Netzwerk der ehemaligen texanischen Gefängnisse hatte man von Verbrechern geleert und in Quarantäne–Zentren und Notunterkünfte umgewandelt. Die ehemaligen Insassen des texanischen Gulag, die wirklichen Kriminellen, wurden heutzutage mittels Software in Schranken gehalten. Die verurteilten Verbrecher mit ihren manipulationssicheren Haftverschonungs-Manschetten konnten nicht nach Nuevo Laredo kommen, denn sie waren durch die Ortungssoftware der Regierung aufs andere Ufer des Rio Grande verbannt. Niemand in der Schlange vor der Klinik trug eine Ortungsmanschette. Man sah ihnen jedoch deutlich an, daß sie unter den Trägern viele gute Freunde hatten.
    Die amerikanischen Kunden trugen ausnahmslos unheimlich wirkende Atemmasken. Wahrscheinlich um sich nicht anzustecken. Oder damit sie niemanden ansteckten. Oder vielleicht auch nur, um beim Drogenkauf ihre Identität zu verbergen.
    Die älteren Kunden trugen schlichte gerippte Atemmasken in antiseptischem Weiß. Die jüngeren bevorzugten kompliziert geriffelte Umschnallmasken in bunten

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