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Schwere Wetter

Titel: Schwere Wetter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruce Sterling
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Designerfarben.
    Die Schlange der Amerikaner rückte stetig vor, abgeschirmt von zwei mexikanischen Cops, die der zahlenden Kundschaft die einheimischen Straßengauner vom Leibe hielten. Jane rückte geduldig bis zur Eingangstreppe der Klinik vor, durch die Doppeltür hindurch und bis zu der vergitterten, kugelsicheren Glasscheibe der Medikamentenausgabe.
    Dort erfuhr Jane, daß die Klinik kein ›braunes mexikanisches Heroin‹ verkaufte. Offenbar hatte man überhaupt kein Heroin auf Lager, da für diesen legendären Stoff bei Leuten mit Erkrankungen der Atemwege nur sehr wenig Nachfrage bestand.
    Jane schob eine private Kreditkarte durch den Schlitz unter dem Fenster. Der Apotheker zog Janes Karte durchs Lesegerät, studierte die Meldung des Netzwerks und zeigte auf einmal echtes Interesse. Jane wurde höflich aus der Schlange herausgebeten und dem Vorgesetzten des Apothekers vorgestellt, der sie in sein Büro hinauf geleitete. Dort zeigte er ihr ein Fläschchen mit einem moderneren Analgetikum, ein Designer- Endorphin, tausendmal wirkungsvoller als Morphium. Als er ihr eine kostenlose Probeinjektion anbot, lehnte Jane dankend ab.
    Daraufhin kam Jane zögernd auf das Thema Bestechung zu sprechen, worauf sich das Gesicht des Angestellten verdüsterte. Er rief einen Schläger eines privaten Sicherheitsdienstes herbei, der Jane aus dem Hintereingang der Klinik geleitete und ihr verbot, die Klinik noch einmal zu betreten.
    Kurz Und Simpel, Schätzchen. Das berühmte KUSS-Akronym war seit jeher Janes liebster Leitfaden. Wenn man irgendwo Zugang finden wollte, mußte man den kurzen und simplen Weg beschreiten. Jemanden vom Klinikpersonal zu bestechen, war ihr als einfachste Lösung erschienen. Doch das war es nicht.
    Wenigstens einer der Angestellten hatte sich bereitwillig bestechen lassen. Bei einem Ferngespräch aus Texas war es Jane gelungen, sich die Dame an der Vermittlung gefügig zu machen. Die Angestellte hatte Janes elektronisches Geld im Austausch gegen zehn Minuten interne Telefonverbindung mit Freuden entgegengenommen.
    Und auch an den Grundriß des Gebäudes war sie ziemlich leicht herangekommen; es hatte sich gezeigt, daß die Pläne öffentlich zugänglich waren. Außerdem war es nützlich gewesen, sich unter dem simplen Vorwand, Drogen kaufen zu wollen, in das Gebäude einzuschleichen. Dadurch hatte Jane ihre Vorstellungen von den inneren Räumlichkeiten bestätigt.
    Aber wenn es um Alex ging, war nichts jemals einfach. Das Telefonat mit Alex hatte Jane klargemacht, daß Alex, der eigentlich ihr Verbündeter auf feindlichem Boden hätte sein sollen, wie gewöhnlich vollkommen nutzlos war.
    Carol und Greg - Janes liebste Vertraute innerhalb der Storm Troupe - hatten sie gedrängt, sich möglichst einfacher Mittel zu bedienen. Diese ganze muskelprotzende Ninja-Nacht-und-Nebel-Romantik zu vergessen. Diese Masche funktionierte selbst dann so gut wie nie, wenn die U.S. Army sie probierte. Schlauer war es, persönlich in Nuevo Laredo aufzukreuzen, eine nicht zurückzuverfolgende elektronische Lastschriftkarte vorzulegen und dem Nachtwächter zu sagen, entweder Alejandro Unger, oder No hay dinero. Die Chancen standen gut, daß der Nachtwächter Alex gegen etwa drei Monatsgehälter in Landeswährung herausrücken würde. Später konnte man so tun, als habe der Patient das Gebäude aus eigener Kraft verlassen. Das war ein netter und geradliniger Plan. Eine strafrechtliche Verfolgung wäre kaum möglich. Und wenn alles schiefging und in einem totalen Debakel endete, würde es so später erheblich besser aussehen.
    Andererseits war das Vorhaben, in eine mexikanische Schwarzmarktklinik einzubrechen und einen Patienten zu entführen, genau die Art überkompliziertes Manöver, das später niemals besser aussah.
    Es gab einmal eine Zeit in Jane Ungers Leben, als sie sich viele Gedanken über ›später‹ gemacht hatte. Aber diese Zeit war vorbei, und das ›Später‹ hatte seinen ganzen Reiz verloren. Sie war zwölfhundert Kilometer an einem Tag gereist, und jetzt war sie allein in einer dunklen Gasse in einem fremden Land und bereitete sich darauf vor, ohne fremde Unterstützung in ein Krankenhaus einzubrechen. Und wenn sie nicht auf frischer Tat ertappt wurde, war sie ziemlich sicher, daß sie damit durchkommen würde.
    Diese Gegend von Nuevo Laredo wurde von den Einheimischen treffenderweise ›Salsipuedes‹ oder ›Lauf-weg-wenn-du-kannst‹ genannt. Abgesehen von Alex' properer, aber bescheidener Klinik gab es

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