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Schwere Wetter

Titel: Schwere Wetter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruce Sterling
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Bleistifttaschenlampe vom Webgürtel. Die kleine Lampe klickte zuverlässig unter ihrem Daumen, und ein rötlicher Strahl erhellte den Flur. Jane trat einen Schritt in den Korridor vor, zwei, drei, dann fiel die Angst vollkommen von ihr ab, und halb rutschte, halb hüpfte sie in ihren feuchten Stiefelüberzügen über die Keramikfliesen.
    Sie hatte nicht damit gerechnet, daß ein Einbruch so erregend sein würde. Sie war schon in vielen verfallenen Gebäuden gewesen - wie jeder ihrer Generation -, aber sie war noch nie in ein benutztes eingebrochen. Eine verruchte Freude überkam sie wie ein langer, kalter Kuß auf den Nacken.
    Jane probierte die erste Tür zu ihrer Linken. Der Knauf gab unter ihren latexumhüllten Fingern nach - abgeschlossen. Jane hatte eine akkubetriebene Dekupiersäge am Gürtel befestigt, die das Schloß durchschneiden würde wie ein Messer eine Hochzeitstorte, und einen Moment lang arbeitete ihre linke Hand unter dem Papieroverall, und sie berührte den angenehmen Noppengriff der Säge. Dann hielt sie inne. Klugerweise widerstand sie dem Impuls, aus einer Laune heraus in den Raum einzudringen. Daß man Alex die Nacht über einschloß, war bei einem Nachtschwärmer wie Alex eher unwahrscheinlich. Der dickköpfige, unausstehliche Nachtschwärmer Alex. Nicht mal an der Schwelle des Todes würde Alex davon ablassen.
    Die nächste Tür. Unverschlossen. Leer.
    Die nächste Tür. Sie war ebenfalls unverschlossen. Irgendwelcher Hausmeisterbedarf, Putzlappen, Kannen und Papier. Ein guter Ort, um gegebenenfalls zur Ablenkung Feuer zu legen.
    Die nächste Tür. In diesem Raum stank es. Wie nach Hustensaft mit Absinth. Kleine rotäugige Geräte an den Wänden und auf dem Boden, von Akkus für den Standby-Betrieb mit Strom versorgt. Janes trübes rotes Licht schwenkte über ein großes leeres Bett, dann fiel es auf ein erschreckendes Gewirr von Schatten - eine halb verdorrte, riesenhafte Topfpflanze.
    Sie hatte ihren Bruder noch nicht gefunden, spürte aber seine Nähe. Sie machte die Tür behutsam hinter sich zu und lehnte sich mit dem Rücken dagegen. Der Gestank reizte ihre Schleimhäute wie billiger Whisky. Jane hielt den Atem an und schwenkte die Taschenlampe. Ein Fernseher. Ein großer Kleiderständer, der an eine überdimensionale Mangel erinnerte… eine Garderobe… verstreute Tonbandkassetten und Zeitschriften…
    Irgend etwas tropfte. Ein öliges, zähes Tropfen, in Bodenhöhe. Es kam von der großen Hosenmangel. Jane näherte sich dem Gerät und leuchtete über den Boden. Da war eine Art Bettpfanne.
    Jane ließ sich auf ein Knie nieder. Es war ein weißer Keramiktopf, zur Hälfte mit einer dunklen, widerlichen Flüssigkeit gefüllt, eine Art zähes Schmieröl. Eine körnige Substanz wie feiner Kaffeesatz war auf den Boden gesunken, während sich oben wie bei einer Suppe mit Eiereinlauf ekliger weißer, organischer Schaum gebildet hatte… Vor Janes Augen plumpste plötzlich ein dünner Batzen von dem Zeug in den Topf.
    Sie schwenkte die Lampe nach oben. Sie erblickte zwei weiße menschliche Zahnreihen. Einen menschlichen Mund, mit verzerrten weißen Lippen und einer steifen blauen Zunge. Der Kopf war bandagiert, ein dicker, gepolsterter Gurt hielt die Stirn. Zwischen die klaffenden Kiefer hatte man eine Art weiches Gummigeschirr gesteckt…
    Sie hatten ihn mit dem Kopf nach unten an ein Gestell gebunden. Beide Schultern waren festgegurtet, beide Arme mit Handschellen an den Seiten fixiert, der Oberkörper war auf der gepolsterten Oberfläche festgeschnallt. Seine Knie waren gefesselt, seine Knöchel steckten in Handschellen. Das ganze Gestell war auf zwei verchromten Federscharnieren aufrecht gekippt. Seine bleichen, nackten Füße waren wie zwei magere Tiere. Unmittelbar über dem Boden hing sein bandagierter Kopf.
    Sie ließen ihn auslaufen.
    Jane trat rasch zwei Schritte zurück und schlug sich die plastikumhüllte Hand vor den Mund.
    Einen Moment lang kämpfte sie gegen die Angst an und drängte sie zurück. Und dann wehrte sie sich gegen den Ekel und besiegte auch den.
    Jane zwang sich, wieder ans Gestell zu treten, dann legte sie Alex die behandschuhte Hand seitlich an den Hals. Er war fiebrig heiß und glitschig von Schweiß.
    Er war am Leben.
    Jane untersuchte eine Weile das Gestell, wobei sich ihre Augen vor Zorn verengten. Die Angst und der Ekel waren verschwunden, doch gegen den jähen Ansturm von Haß kam sie nicht an. Die Vorrichtung war für die Schweinehunde, die ständig damit

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