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Schwert und Laute

Schwert und Laute

Titel: Schwert und Laute Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sonia Marmen
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holen gekommen. Der junge Bursche, der mir einige Stunden zuvor die Nachricht gebracht hatte, hatte in einem Ladeneingang auf der gegenüberliegenden Straßenseite auf mich gewartet. Unauffällig, in respektabler Entfernung, war ich ihm bis in die Riddle’s Close gefolgt, wo das Edinburgher Stadthaus der Dunnings stand, ein schönes Anwesen, das aus der gleichen Zeit stammen musste wie die Dame auf dem Gemälde.
    Eine Tür öffnete sich. In einem Hausmantel aus purpurner Seide stand Winston vor mir, sein ewiges unverschämtes Grinsen auf den Lippen. Ich erhob mich und musterte ihn kühl.
    »Guten Abend, meine teure Caitlin«, sagte er und kam langsam auf mich zu.
    Ich wich vorsichtig zurück, um eine angemessene Entfernung zwischen uns zu wahren.
    »Wusste ich doch, dass wir uns eines Tages wiedersehen würden...«
    »Ich bin nicht hergekommen, um Konversation zu betreiben, Winston«, gab ich in bissigem Ton zurück. »Ihr wolltet mir einen Vorschlag machen. Ich höre.«
    »Mhhh... schön«, murmelte er und entfaltete die Arme, die er auf der Brust verschränkt hatte.
    Aus den Falten seines Hausmantels zog er eine Schriftrolle, die von einem schwarzen Band zusammengehalten wurde, und warf
sie auf einen kleinen Tisch, der vor mir stand. Leicht beklommen sah ich zu, wie die Rolle noch einmal hochsprang und dann still lag.
    »Wie Ihr wisst, hat meine Mutter mir ein Ultimatum gestellt. Ich soll Euren Mann von den Anschuldigungen gegen ihn entlasten, sonst entzieht sie mir die Verwaltung des Besitzes meines Vaters. Wie Ihr festgestellt haben werdet, habe ich lange darüber nachgedacht, und ich habe mich entschieden, ihren Vorschlag abzulehnen.«
    Er unterbrach sich einige Augenblicke, um sich von der Wirkung seiner letzten Worte auf mich zu überzeugen. Es kostete mich beträchtliche Mühe, scheinbar unbewegt zu bleiben.
    »Meine Mutter kann das Gut nicht verwalten oder allein den Wollhandel meines Vaters weiterführen. All dieser Papierkram, Ihr wisst schon«, meinte er und wedelte mit der Hand durch die Luft. »Vor ihrer Krankheit hat sie sich nie dafür interessiert, und jetzt... Sagen wir, dass ihre Drohungen ziemlich leer sind. Ich weiß, dass sie mich nicht sehr lange von den Geschäften wird fernhalten können.«
    Er neigte den Kopf leicht zur Seite und beobachtete mich aus halb geschlossenen Augen.
    »Und dann habe ich Euch gestern Morgen wiedergesehen... Wenn ich mich nicht irre, wart Ihr auf dem Weg zum Gefängnis. Wie ist denn das Befinden Eures Gatten?«
    »Das geht Euch gar nichts an«, zischte ich mit zusammengebissenen Zähnen.
    »Jedenfalls war ich am selben Nachmittag dort. Ich muss gestehen, dass es Eurem Mann nicht sehr gut zu gehen scheint, aber immerhin liegt er noch nicht im Sterben.«
    »Ihr habt ihn gesehen?«, fragte ich und spürte, wie mein Puls schneller schlug.
    »Ja. Ich habe allerdings nicht mit ihm gesprochen. Doch ein kurzer Blick durch die Gitterstäbe seiner Zelle hat schon genügt. Ihr wisst schon, der Gestank...«, sagte er und verzog angewidert den Mund. »Unerträglich!«
    Ich ließ mich auf den Sessel fallen, der hinter mir stand, und schloss die Augen, um die Bilder zu vertreiben, die ich vor
mir sah: Liam, wie er zusammengesunken auf dem ekelhaften, von Ungeziefer wimmelnden Stroh hockte, halb verhungert und krank.
    »Hat man Euch schon das Datum seiner Hinrichtung mitgeteilt?« , erkundigte er sich im Plauderton.
    »Seiner Hinrichtung?«, stammelte ich und riss entsetzt die Augen auf. »Er ist verurteilt?«
    »Am dreißigsten Juli wird der Galgen aufgestellt. Das verspricht, ein wunderbares Schauspiel zu werden. Ein Mann wie er wird zweifellos eine beträchtliche Menschenmenge anziehen, meint Ihr nicht? Der blutrünstige Mörder meines Vaters, eines Lords und treuen Untertanen des Königs.«
    »Der dreißigste, aber das ist schon in fünf Tagen!«, rief ich wie vom Donner gerührt aus und krallte die Fingernägel in die Sessellehne.
    »Sieh an, Ihr könnt rechnen«, spottete er. »Gut, kommen wir wieder zur Sache. Als ich Euch also gestern Morgen erblickte, verspürte ich plötzlich den Wunsch, Euch wiederzusehen. Ich glaube, ich habe eine Lösung gefunden, die uns beide zufriedenstellen könnte.«
    Er schob die Schriftrolle auf mich zu.
    »Ich habe dieses Dokument ausgefertigt, das Macdonald entlastet, und ich habe es unterzeichnet...«
    Ich wollte nach dem kostbaren Brief greifen, doch er packte mich am Handgelenk. Aus seinen kalten Augen starrte er mich an. Ich vermochte ein

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