Schwert und Laute
Vielleicht besitzt dieser protestantische
Bibelfanatiker ja ein wenig mehr Mitgefühl als seine Kameraden.«
Er unterbrach sich und ließ nervös seine Fingergelenke knacken.
»Hamilton und Duncanson, die das Massaker geplant haben, sind für schuldig erklärt worden; allerdings hat man keinerlei Strafe über sie verhängt. Bleiben die Soldaten, die sozusagen nicht erschienen sind. Ich bezweifle, dass sie das je tun werden. Glenlyon und Drumond werden in Dixemude, in Flandern, gefangen gehalten; ein schwacher Trost. Letztendlich betrachtet man die ganze Geschichte als bedauerlichen Irrtum, als Missverständnis. Sogar die Jakobiten bedienen sich ihrer zu ihrem Vorteil, um den protestantischen König und seine Regierung mit Schande zu überziehen.«
Er zog ein völlig zerknittertes Traktat aus seinem Sporran und reichte es mir. Es stammte von dem Iren Charles Leslie, einem Pamphletschreiber und Polemiker, und verhöhnte den Bericht an den König über die Affäre Glencoe.
»Das tut mir leid«, stammelte ich.
»Euer Bruder verteilt diese Schriften in den Kaffeehäusern und Tavernen.«
»Oh!«, stieß ich verblüfft hervor. »Ich wusste, dass Patrick in jakobitischen Kreisen verkehrt, aber...«
»Er ist Jakobit, Caitlin, und sehr aktiv innerhalb der Organisation. Ihre Ziele will ich ja gar nicht in Zweifel ziehen. Ich selbst würde mein Leben dafür geben, die Stuarts wieder auf den Thron von Schottland zu setzen. Wir haben alle unterschiedliche Meinungen, aber es gefällt uns nicht, wenn man sich dieses strittigen Themas bedient, um die Sache voranzubringen. Da gibt es andere Mittel.«
Er verstummte, runzelte die Stirn und ließ den Blick in die Ferne schweifen.
»Wäre nur Euer Chief MacIain rechtzeitig aufgebrochen, um den Eid zu unterzeichnen. Dann wäre nichts von alldem geschehen«, meinte ich.
Zerstreut beobachtete ich zwei Singschwäne, die über uns hinwegzogen, um sich auf dem Loch, der in einiger Entfernung lag, niederzulassen. Donald seufzte und schüttelte seine rote Mähne.
»Er war eben starrköpfig. Es ist wahr, dass die Stämme eine angemessene Frist von mehreren Monaten hatten, um sich auf die Proklamation einzustellen, aber die Chiefs hätten es vorgezogen, auf James’ Zustimmung zu warten. Duncan Menzie, der inkognito nach Saint-Germain in Frankreich gereist war, um ihn trotz allem unserer Loyalität zu versichern, ist erst eine Woche vor dem Ablauf der Frist mit der Antwort zurückgekehrt. Auch andere Clans hatten den Eid noch nicht unterzeichnet, beispielsweise die Stuarts von Appin und die Macdonalds von Glengarry, aber so wie die Dinge standen, konnten die Campbells, die eine große Anzahl von Posten in der Regierung besetzen, nur gewinnen, wenn sie an uns ein Beispiel statuierten. Und gleichzeitig stillten sie eine Rache, die zwischen unseren Clans seit Generationen genährt wurde. Also hat man die Registrierung des Eids absichtlich verschwinden lassen, und dann nahmen die Ereignisse ihren Lauf.«
»Und all das wegen ein paar Stück Vieh...«
Er sah mich an und zog ein schiefes Lächeln.
»Es geht nicht nur um Viehdiebstahl«, klärte er mich auf. »Manchmal endeten solche Überfälle in einem Blutbad. Unsere Klingen waren oft rot von Campbell-Blut, doch ebenso oft haben Macdonalds an den Ästen alter Eichen in Finlarig und Inveraray als Rabenfutter gedient. Auge um Auge, Zahn um Zahn! Dieses Motto ist gleichsam in den Granit unserer Berge gehauen. Jedem der Campbells, die ihre Finger in dieser Sache hatten, sind bestimmt irgendwann einmal einige Tiere oder etwas anderes gestohlen worden.«
»Ein Krieg ohne Aussicht auf ein Ende, wenn ich das richtig verstehe.«
Er verzog das Gesicht und schob mit dem Handrücken eine Haarsträhne zurück.
»Ich weiß es nicht...«, meinte er zögernd. »Dieses Mal haben sie uns vielleicht den Todesstoß versetzt. Es wird immer schwieriger, sich über die Gesetze der Sassanachs hinwegzusetzen, ohne die Folgen zu spüren zu bekommen. Im Moment müssen wir unsere ganze Kraft aufwenden, um einfach nur zu überleben.«
Er warf mir ein verschlagenes Lächeln zu.
»Vielleicht läuft uns ja eines Tages rein zufällig ein Campbell über den Weg.«
Eine warme Brise strich über mein Gesicht, und ich schloss die Augen. Offensichtlich führten die Bewohner von Glencoe nur an der Oberfläche ein ruhiges Leben; in Wirklichkeit war es sehr verwickelt. Ich konnte gerade noch verstehen, warum die Tieflandschotten und die Engländer solche Angst vor diesen
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