Schwerter und Rosen
bevor die tödliche Klinge auf ihn hinabgesaust war, hatte der Sultan die Hand gehoben und etwas auf Arabisch geboten, woraufhin der Mameluck enttäuscht das Schwert hatte sinken lassen und ihn zur Seite gestoßen hatte. Seit diesem Tag war er ein Gefangener des mächtigen Herrschers über Ägypten, Syrien und Jerusalem. Und es war ihm bisher weder gelungen, die Ursachen der rätselhaften Milde zu ergründen, noch in Erfahrung zu bringen, warum er bei der Kapitulation Jerusalems nicht freigelassen worden war wie all die anderen Christen.
»Deine Wege sind unergründlich, Herr«, murmelte er übellaunig und schwang die Beine aus dem viel zu kurzen Bettkasten, der bei der unerwarteten Bewegung knarrend protestierte. Irgendwann würde seine Schlafstatt unter ihm zusammenbrechen, dessen war sich der Ritter sicher. Und es würde ihn ebenso wenig überraschen wie ein Sandsturm in der Wüste. Das Loch, in dem er hauste, war düster, moderig und stank nach Rattenkot, und wenn er es nicht gemietet hätte, dann hätte es mit Sicherheit als Unterkunft für Schafe, Ziegen oder Esel gedient. Allerdings konnte er sich keine bessere Unterkunft leisten, da ihm langsam, aber sicher die Mittel ausgingen. Leise fluchend kramte er in einem ehemals prachtvollen Beutelchen, dessen Purpurrot inzwischen zu einem hellen Rosa verblasst war, und zog einen Siegelring hervor. Auf einem breiten Goldreif prangte das schwarz-rote Wappen seiner Familie. Aber Staub und Schmutz hatten auch diesem Schmuckstück inzwischen so zugesetzt, dass er das Wappentier erst wieder deutlich erkennen konnte, nachdem er mit einem Zipfel seines Untergewandes über die glatte Oberfläche gewischt hatte. Mit einem Seufzen schloss er die Faust um das Kleinod und genoss einige Atemzüge lang das kühle, schwere Gefühl des Edelmetalls auf seiner erhitzten Haut. Schließlich schlug er es in ein winziges Stückchen Pergament ein und platzierte es auf dem kleinen Tischchen, dessen wackelige Beine schon mehrfach mit Schnur repariert worden waren. Er würde wohl auch sein kostbarstes Schmuckstück bei dem ziegenbärtigen Juden zwei Straßen weiter versetzen müssen, wenn er nicht verhungern wollte! Müde raufte er sich die viel zu langen Haare und stützte den Kopf in die Hände. Manchmal wünschte er, ihn hätte das gleiche Schicksal ereilt wie seine Kameraden!
Resigniert streifte er ein abgetragenes Surkot über das ehemals weiße Nachtgewand, warf mehr aus Gewohnheit denn aus Gründen der Angemessenheit seinen ausgefransten Templerumhang um und duckte sich durch die schief in den Angeln hängende, schon lange nicht mehr verschließbare Tür seiner Kammer. Obwohl die Sonne bereits vor einer halben Stunde den Weg über die judäischen Berge gefunden hatte, war die Luft in der übervölkerten Metropole noch erstaunlich kühl. Und wenn er die leichte Note von Kameldung und Pferdemist ignorierte, konnte er die süße Würze der in den Bäckereien und Küchen frisch zubereiteten Bagel erahnen. Diese handtellergroßen, runden Gebäckstücke aus Hefeteig mit einem Loch in der Mitte gehörten zum täglich Brot der jüdischen Bevölkerungsschichten, und da Curd nicht wählerisch sein konnte, hatte er sich schon bald nach seiner Ankunft mit dieser und vielen anderen einfachen Köstlichkeiten angefreundet. Ziellos schlenderte er durch die engen Gässchen der Stadt, in der das Leben bereits pulsierte. Doch als er an die Grenze des im Westen an das Judenviertel anschließenden christlichen Stadtteils gelangte, machte er kehrt und wanderte den von Palmen gesäumten Weg entlang, der in Richtung Felsendom führte.
Einige Häuserecken weiter, im reicheren Teil des von Juden bewohnten Bereiches, drängte sich eine beträchtliche Anzahl von schwer beladenen Kamelen, Eseln und Pferden vor einem Steingebäude, dessen sandsteinfarbene Fassade mit farbenprächtigen Szenen aus dem Alten Testament bemalt war. Inmitten der Männer konnte Curd nur undeutlich die schlanke Gestalt eines jungen Mädchens ausmachen, das soeben den reich verzierten Zaum eines kostbaren grauen Reitkamels ergriff, um einem der Kaufleute beim Aufsteigen behilflich zu sein. Fasziniert verfolgte er das bunte Treiben eine Zeit lang, während ihm beim Anblick der gezuckerten Feigen, die ein etwa achtjähriger Knabe den Versammelten als Erfrischung reichte, das Wasser im Munde zusammenlief. Inzwischen war eine leichte Brise aufgekommen, die immer mehr der verlockenden Düfte zu ihm trug. Und während seine Linke versonnen
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