Schwester der Finsternis - 11
ausgeliefert zu sein und sich in keiner Weise wehren zu können, das war etwas völlig anderes; es war eine ganz andere Art von Angst.
Notfalls konnte sie noch immer auf ihre Konfessorenkraft zurückgreifen, in ihrem Zustand war das jedoch ein Vorhaben mit ungewissem Ausgang. Noch nie hatte sie ihre Kraft in einem Zustand einsetzen müssen, der auch nur annähernd dem glich, in dem sie sich augenblicklich befand. Sie erinnerte sich, dass sie längst fort sein würden, wenn die Männer zurückkamen, ganz abgesehen davon, dass Richard und Cara sie niemals in ihre Nähe lassen würden.
Kahlan empfand jedoch eine viel unmittelbarere Angst, und die war nur zu begründet. Lange würde das Gefühl allerdings nicht anhalten; sie wusste, dass sie das Bewusstsein verlieren würde. Zumindest hoffte sie es.
Sie legte sacht ihre Hand auf den Bauch, über ihr Kind, und lauschte auf das Plätschern und Gurgeln eines nahen Baches. Das Geräusch des Wassers erinnerte sie daran, wie gerne sie ein Bad nehmen würde. Die Verbände über der eiternden Wunde an ihrer Seite stanken und mussten oft gewechselt werden, die Laken waren schweißgetränkt, ihre Kopfhaut juckte, die Strohmatte unter dem Laken, die ihr als Lager diente, war hart und scheuerte ihren Rücken wund. Sie vermutete, dass Richard die Bahre in aller Eile gebaut hatte und plante, sie später nachzubessern.
An einem heißen Tag wie diesem wäre das kalte Wasser des Baches eine angenehme Erfrischung. Sie sehnte sich nach einem Bad, danach, sauber zu sein und frisch zu riechen, sie sehnte sich danach, es möge ihr besser gehen, sich wieder selber helfen zu können, wieder gesund zu werden. Sie konnte nur hoffen, dass auch Richard sich mit der Zeit von seinen unsichtbaren, aber nicht weniger wirklichen Verletzungen erholen würde.
Schließlich kehrte Cara zurück, eine mürrische Bemerkung auf den Lippen, die Pferde seien heute widerspenstig. Sie hob den Kopf und sah, dass das Zimmer leer war. »Ich gehe ihn besser suchen und vergewissere mich, dass ihm nichts zugestoßen ist.«
»Es geht ihm gut. Er weiß, was er tut. Wartet einfach hier, Cara, sonst muss er womöglich nachher Euch suchen gehen.«
Cara seufzte und gab ihr widerstrebend Recht. Sie holte einen kalten, feuchten Lappen und begann, Kahlans Stirn und Schläfen abzutupfen. Kahlan beschwerte sich nur ungern, wenn Menschen sich nach besten Kräften um sie kümmerten, daher verschwieg sie, wie sehr ihre gezerrten Halsmuskeln schmerzten, wenn ihr Kopf hin und her bewegt wurde. Cara beklagte sich über dergleichen nie; sie beklagte sich nur, wenn sie der Meinung war, einer ihrer Schutzbefohlenen sei unnötig in Gefahr – und Richard ihr nicht erlaubte, die auszuschalten, von denen ihrer Ansicht nach die Gefahr ausging.
Draußen gab ein Vogel ein hohes, schrilles Trällern von sich. Die immer gleichen, ermüdenden Wiederholungen wurden allmählich unangenehm. In der Ferne hörte Kahlan, wie ein Eichhörnchen sich schnatternd um sein Revier stritt; ihr kam es vor, als sei es schon seit einer Stunde damit beschäftigt. Der Bach plätscherte unablässig.
Das stellte Richard sich also unter Erholung vor.
»Wie ich es hasse«, murmelte sie.
»Ihr solltet froh sein – Ihr könnt einfach daliegen und braucht nichts zu tun.«
»Und ich wette, Ihr würdet gerne mit mir tauschen.«
»Ich bin eine Mord-Sith; für eine Mord-Sith gibt es nichts Schlimmeres, als im Bett zu sterben.« Sie sah Kahlan aus ihren blauen Augen an. »Womöglich alt und zahnlos«, setzte sie hinzu. »Womit ich nicht sagen wollte, Ihr seid…«
»Ich weiß, was Ihr sagen wolltet.«
Cara schien erleichtert. »Außerdem könnt Ihr gar nicht sterben – das wäre viel zu einfach. Ihr wählt nie den einfachen Weg.«
»Ich habe Richard geheiratet.«
»Seht Ihr, genau das meine ich.«
Kahlan lächelte.
Cara tunkte den Lappen in einen auf dem Boden stehenden Eimer, wrang ihn aus und richtete sich auf. »Eigentlich ist es doch gar nicht so schlimm, oder? Einfach nur dazuliegen?«
»Wie fändet Ihr das, wenn Ihr hilflos zusehen müsstet, wie Euch jemand jedes Mal, wenn Eure Blase voll ist, eine Holzschüssel unter den Hintern schiebt?«
Cara tupfte Kahlans Hals behutsam mit dem Lappen ab. »Bei einer Schwester des Strafers würde es mir nichts ausmachen.«
Der Strafer, jene Waffe, die eine Mord-Sith stets bei sich trug, schien nichts weiter zu sein als ein kurzer, roter Lederstab, der mittels einer dünnen Kette an ihrem Handgelenk baumelte. Ein
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