Schwester der Finsternis - 11
hatte und dass ich eigentlich viel früher hätte darauf kommen müssen. Dann wäre dir das gar nicht erst passiert.«
»Aber wenn die Mutter Konfessor nicht verletzt worden wäre, hättet Ihr Euch am nächsten Morgen besser gefühlt und Eure Meinung geändert.«
Durch die Tür in seinem Rücken fiel ein Lichtstrahl, der die uralten, den rechteckig geschnittenen Saum seines Überwurfs verzierenden Symbole in goldenem Glanz erstrahlen ließ. »Was wäre geschehen, Cara, wenn ich mit ihr zusammen überfallen und wir beide getötet worden wären? Was würdet ihr alle dann tun?«
»Das weiß ich nicht.«
»Eben deswegen ziehe ich mich zurück. Ihr hängt euch alle immer nur an mich dran, ohne euch selbst am Kampf um eure Freiheit zu beteiligen. Endlich ist mir klar geworden, welch ein Fehler das war und dass wir auf diese Weise niemals siegen können. Die Imperiale Ordnung ist ein viel zu mächtiger Gegner.«
Kahlans Vater, König Wyborn, hatte ihr gezeigt, wie man gegen eine solche Übermacht kämpft, und sie besaß praktische Erfahrung darin. »Vielleicht ist ihre Armee uns zahlenmäßig überlegen, aber das macht es nicht unmöglich. Wir müssen sie eben überlisten. Ich werde dir zur Seite stehen, Richard. Unsere Offiziere sind kampferprobt, wir können es schaffen. Wir haben gar keine andere Wahl.«
»Sieh doch, wie die Imperiale Ordnung ihre Ziele mit wohlklingenden Worten verbreitet« – Richard machte eine ausladende Armbewegung – »sogar bis an entlegene Orte wie diesen. Wir sind uns jenseits allen Zweifels über die Schlechtigkeit der Imperialen Ordnung im Klaren, und doch schlagen sich die Menschen überall begeistert auf ihre Seite – trotz der Schauderhaftigkeit all dessen, wofür die Imperiale Ordnung steht.«
»Richard«, erwiderte Kahlan leise, um nicht den letzten Rest ihrer Stimme zu verlieren, »ich habe seinerzeit blutjunge galeanische Rekruten gegen eine Armee erfahrener Soldaten der Ordnung geführt, die uns zahlenmäßig haushoch überlegen war, und wir haben uns trotzdem behaupten können.«
»Genau das meine ich. Sie hatten kurz zuvor ihre Heimatstadt gesehen, nachdem die Imperiale Ordnung dort gewütet hatte. Alle ihre Lieben waren ermordet, ihre ganze Welt vernichtet worden. Diese Männer haben in dem Bewusstsein gekämpft, genau zu wissen, was sie tun und weshalb. Sie hätten sich dem Feind entgegengeworfen, ganz gleich, ob du sie befehligst oder nicht. Aber sie waren die Einzigen, und obwohl sie gesiegt haben, wurden die meisten von ihnen in der Schlacht getötet.«
Kahlan war fassungslos. »Du willst also zulassen, dass die Imperiale Ordnung an einem anderen Ort dasselbe tut, nur um den Menschen einen Grund zu geben, sich zu wehren? Du willst tatenlos mit ansehen, wie die Ordnung hunderttausende unschuldiger Menschen abschlachtet? Du willst aufgeben, weil mir etwas zugestoßen ist. Bei den Gütigen Seelen, ich liebe dich, Richard, aber tu mir das nicht an. Ich bin die Mutter Konfessor, ich bin für das Leben der Menschen in den Midlands verantwortlich. Tu es nicht nur deswegen, weil mir etwas zugestoßen ist.«
Richard schnallte seine ledergepolsterten Manschetten um. »Ich tu es nicht, weil dir etwas zugestoßen ist, ich trage damit auf die einzig Erfolg versprechende Weise dazu bei, diese Menschenleben zu retten. Ich tue das Einzige, was ich tun kann.«
»Nein, Ihr wählt den einfachen Weg«, warf Cara ein.
Richard begegnete ihrem Einwand ruhig und voller Offenheit. »Nein, Cara, ich treffe damit die schwerste Entscheidung meines Lebens.«
Jetzt war Kahlan sicher, dass ihn ihre Ablehnung durch die Bevölkerung Anderiths härter getroffen hatte als angenommen. Sie nahm zwei seiner Finger und drückte sie verständnisvoll. Er hatte von ganzem Herzen versucht, diesen Menschen die Unterwerfung durch die Imperiale Ordnung zu ersparen, hatte versucht, ihnen den Wert ihrer Freiheit aufzuzeigen, indem er ihnen die Freiheit ließ, über ihr Schicksal selbst zu entscheiden. Somit hatte er seinen Glauben in ihre Hände gelegt.
In einer vernichtenden Abstimmungsniederlage hatten sie sein Angebot mit überwältigender Mehrheit voller Verachtung zurückgewiesen und diesen Glauben zerstört.
Vielleicht, überlegte Kahlan, würde sein Schmerz – wie in ihrem Fall – nachlassen, wenn er nur ein wenig Zeit hätte, darüber hinwegzukommen. »Du darfst dir nicht die Schuld für den Fall Anderiths geben, Richard. Du hast getan, was du konntest.«
Er nahm seinen breiten ledernen Übergurt
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