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Schwester der Toten

Schwester der Toten

Titel: Schwester der Toten
Autoren: Marcel Feige
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schweren Koffer ab und vermied es, Cato anzuschauen. Er winkte dem Jungen und sandte den beiden stillschweigend seinen Segen, sie würden ihn gebrauchen können. Der Sekretär des Bischofs hüstelte ungeduldig und hielt die Hintertür der Limousine auf.
    Cato war nicht überrascht, die groß gewachsene Gestalt Ricardo de Gussas auf der Rückbank des Wagens auszumachen. Der Bischof hatte seit ihrem letzten Aufeinandertreffen zugenommen, erkannte er, als er neben ihm Platz nahm. Das weinrote Zingulum spannte sich über de Gussas Bauch. Ansonsten war er unverändert: aufrechte Haltung, entschlossener Blick, selbst die Haare wie immer tadellos gefärbt und streng nach hinten gekämmt. Der Sekretär klappte die Tür zu und blieb wie ein Bodyguard neben Catos Taschen auf dem Bürgersteig stehen. Es fehlte nur noch die Sonnenbrille.
    »Liebe Güte«, begrüßte de Gussa ihn und schüttelte sich, »ist Ihnen nicht kalt, mein Lieber?«
    »Sie sind der Zweite, der mich das heute fragt.«
    Der Bischof blickte ihn stirnrunzelnd an. Cato räumte ein: »Um ehrlich zu sein: Mir ist kalt, aber selbst die Zeit bis zum Anschlussflug in London war zu knapp, als dass ich mir was Wärmeres hätte anziehen können. Und mir scheint, ich werde auch jetzt nicht dazu kommen.«
    De Gussa pflichtete bei: »Wir haben nicht viel Zeit.«
    Cato nickte wissend. Dass der Bischof höchstpersönlich zum Flugplatz gekommen war, ließ darauf schließen, dass die Angelegenheit mehr als dringlich war. Sein Aufenthalt in Rom würde nicht von langer Dauer sein.
    De Gussa drückte ihm eine Mappe in die Hand. Sie enthielt ein Flugticket, ein Bündel kurzer Berichte, die er erst einmal beiseite legte, darüber hinaus das Foto eines jungen Mannes, der selbst gerade fotografierte. Als Cato die Bilder der alten Frau entdeckte, sagte er nur »Oh!« und verschluckte erneut sein Kaugummi. Er hustete. Nachdem sich seine Kehle beruhigt hatte, sah er den Bischof an.
    Dieser nickte grimmig. »Es ist so weit.«
    Cato hatte geahnt, dass sein neuer Auftrag etwas Besonderes sein würde. Aber er hatte gehofft, sich wenigstens duschen, umkleiden und ein wenig Schlaf gönnen zu können. 15 Stunden Flug gingen nicht spurlos an ihm vorüber. Doch daraus wurde nichts, soviel war klar. »Sie haben ihn also?«, fragte er.
    »Ja.« De Gussa spielte an dem violetten Amethyst in seinem Ring. »Sie hat uns zu ihm geführt.« Nach einer kurzen Pause fügte er hinzu: »Endlich.«
    Cato nahm noch einmal das Bild in die Hand, das den jungen Mann zeigte. Es war ein wenig unscharf und ließ sein Gesicht nur erahnen, da es größtenteils durch das Gehäuse der Kamera verdeckt war.
    Mit der anderen Hand blätterte er durch die Fotos, auf denen die alte Frau abgebildet war. Mal stand sie alleine auf dem Bürgersteig, dann inmitten einer Menschenmenge, die sich mit sichtlichem Ekel an ihr vorbeidrückte. Und dann stand sie neben einem jungen Mann, der offenbar, Sekunden bevor das Bild gemacht worden war, einen Wurstverkäufer angerempelt hatte. Erst jetzt erkannte Cato in ihm den halb verdeckten Fotografen.
    De Gussa grunzte zufrieden: »Fliegen Sie umgehend nach Berlin. Bringen Sie ihn zu uns. Wenn er nicht freiwillig kommt…« Er ließ den Satz unvollendet. »Sie wissen, was Sie tun müssen. Ich muss Ihnen nicht sagen, wie wichtig die Angelegenheit ist.« Er wurde lauter. »Wir brauchen den Jungen. Er ist eine Gefahr für uns. Wir brauchen auch das Achat. Ohne das Achat können wir die Bücher nicht vollständig entschlüsseln.« Er senkte seine Stimme. »Aber seien Sie vorsichtig. Erregen Sie kein Aufsehen. Bei allem, was Sie tun, denken Sie daran: Was wir nicht brauchen, ist die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit.«
    Cato atmete durch. Der Auftrag würde schwierig werden, schwieriger als jeder andere zuvor. Diesmal ging es nicht um vermeintliche Wunder oder angebliche Heilungen. Diesmal hatte er es mit der Wahrheit zu tun. Und die war manchmal schlimmer als alle Lügen. Trotzdem antwortete er, und er legte alle Kraft, die seine matten Glieder noch hergaben, in seine Stimme, denn er meinte es ernst: »Ich werde Sie nicht enttäuschen.«
    »Das weiß ich, mein Lieber, das weiß ich«, entgegnete der Bischof und klang in diesem Moment selbst entsetzlich müde. Cato öffnete die Tür und wollte aussteigen, als ihn de Gussa noch einmal zurückhielt. »Ach, und übrigens, Lacie erwartet Sie.«
    »Lacie?« Cato spuckte den Namen aus. Plötzlich war er hellwach.
    Der Bischof zuckte die Achseln. Im
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