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Schwester der Toten

Schwester der Toten

Titel: Schwester der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcel Feige
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auf. »Wenn du mir dabei nicht helfen willst, bitte schön, ich kann dich nicht dazu zwingen. Aber ich schwöre dir, ich werde herausfinden, was damals mit mir passiert ist. Ich werde herausbekommen, was jetzt mit mir geschieht.
    Und ich werde erfahren, weshalb es geschieht.« Er funkelte seinen Vater an. »Und ich schwöre dir, wenn ich herausfinde, dass du daran beteiligt bist, dass du Schuld daran hast – ich werde dich zur Verantwortung ziehen.«
    Michaels Blick löste sich von seinen Statuen. »Ach ja? Willst du mich vor Gericht stellen?«
    »Wenn es sein muss«, sagte er, weil ihm nichts Besseres einfiel. Er wandte sich zur Tür, da kam ihm ein anderer Gedanke. »Wer ist Beatrice?«
    Auf einmal war sein Vater leichenblass. »Niemand«, stammelte er. Nicht sehr überzeugend. Die Panik in seiner Stimme war unverkennbar.
    Philip schritt langsam zurück in das Zimmer, schenkte den bizarren Skulpturen und Figuren keine Beachtung. Er baute sich vor seinem Vater auf. »Was weißt du von ihr?«
    »Was weißt du von ihr?«, wiederholte sein Vater.
    »Nichts«, meinte Philip. Das war die Wahrheit.
    »Dann weißt du nicht weniger als ich«, sagte der Mann, der sein Vater war. Doch das war eine Lüge. Sie stand deutlicher als alle anderen zuvor in sein Gesicht geschrieben. Ebenso unverkennbar war die Furcht. Furcht wovor?
     
     
    London
     
    Beatrice war überrascht, das Hotel North Side verschlossen vorzufinden. Da es aber nicht ihr eigentliches Ziel war, sondern Pauls Haus in der Willow Road, schenkte sie dem keine weitere Beachtung. Wenige Minuten später stand sie vor der Stufe zur Haustür.
    Erste Schneeflocken fielen in geschmeidigen Kringeln vom Himmel. Die aufgedunsenen Wolken ließen erahnen, dass auch über London bald ein Sturm niedergehen würde.
    Aus ihrem Rucksack holte sie den Wohnungsschlüssel. Für einen kurzen Moment zog sie in Erwägung, sich durch ein Klingeln anzukündigen. Dann verwarf sie den Gedanken. Wozu? Es war schließlich auch ihr Zuhause – gewesen, ergänzte sie. Es war ihr gutes Recht, es zu betreten. Und zu verlassen.
    Sie holte einmal tief Luft und entriegelte die Tür. Buck stürmte in die Wohnung und entdeckte Bart, der gerade in der Diele stand.
    »Beatrice?«, fragte er ungläubig und wehrte den Bobtail ab, der ihn neugierig beschnupperte.
    »Ja«, sagte sie.
    »Was…?« Pauls Bruder zögerte.
    »Ist Paul nicht da?« Etwas in seiner Haltung ließ sie auf der Stufe draußen verharren.
    »Beatrice«, brachte Bart statt einer Antwort über die Lippen.
    »Wer ist denn da?«, rief es aus dem Wohnzimmer. Es war nicht Pauls Stimme.
    »Es ist Beatrice«, entgegnete Bart.
    »Was will sie hier?«, antwortete es, und Beatrice fuhr zusammen. Die Schärfe in der Stimme war nicht zu überhören. Selbst Buck zuckte unter seinem Fell.
    Sie war von Anfang an unsicher gewesen, ob es eine gute Idee war, in die Willow Road zurückzukehren. Ihre Befürchtungen schienen sich zu bestätigen.
    »Was willst du hier?«, gab Bart die Frage an sie weiter. Er trug einen schwarzen Anzug und wirkte so gar nicht wie der besonnene Bär, als den sie ihn kennen gelernt hatte, nachdem Leonard sie zurück ins Hotel geführt hatte. Sie fühlte sich schuldig, dass sie nicht mehr an den Landstreicher gedacht hatte. Große Schneeflocken tanzten jetzt durch die Luft, und auf dem Bürgersteig flocht sich ein weißer Teppich. Ob Leonard immer noch alleine durch die Straßen der Stadt zog und sich von den Hamburgerresten ernährte, die ihm sein Freund bei McDonald’s überließ?
    »Ich will…« Beatrice räusperte sich. »Darf ich nicht reinkommen? Es schneit, und mir ist kalt.«
    »Ähm, ja, natürlich«, sagte Bart zögerlich. Seine Augen flackerten.
    Beatrice trat in die Diele, und Buck hockte sich an ihre Seite.
    »Also?«, fragte Bart.
    »Ich wollte Paul darum bitten, dass er auf Buck Acht gibt.«
    »Wie?«, machte Bart und ließ die Arme hängen. Er sah aus, als würde er jeden Augenblick in Tränen ausbrechen. Ein beängstigender Moment, diesen großen, starken Mann so verwirrt und verletzlich zu sehen.
    »Buck, das ist mein Hund. Ich muss etwas in der Stadt erledigen…«, erklärte sie und machte eine Pause. Nach der Ankunft des Reisebusses in London hatte sie in Erfahrung gebracht, dass die Royal Bank of Scotland ein gutes Dutzend Filialen besaß, die über die ganze Stadt verstreut lagen. »… und ich möchte ihn nicht in das stinkende, lärmende Zentrum mitnehmen.« Zumindest so lange nicht, bis sie die Bank

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