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Schwester Lise

Schwester Lise

Titel: Schwester Lise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berte Bratt
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Vater heiratete zum zweiten Male“, sagte sie kurz. „Ich war schon etwas zu lange Hausfrau gewesen, um zu Hause das kleine Mädchen spielen und einer neuen Mutter gehorchen zu können.“
    „Dann hast du sicher gut daran getan, Krankenpflege zu lernen“, meinte Doris. „Wenn du eine selbständige Arbeit brauchtest - “
    „Ich habe immer Freude am Pflegen gehabt“, fiel Inga ihr ins Wort. Der Ton, in dem sie das sagte, machte diesem Gespräch ein Ende.
    Eirin versuchte die Unterhaltung in andere Bahnen zu lenken: „Hört mal, wißt ihr was? Ich habe einen Wunschtraum: Ich wünschte, daß ich plötzlich Stationsschwester wäre und Schwester Eldrid Lernschwester - “ Sie sprach nicht weiter, sondern ballte nur die Fäuste. Die andern nickten beifällig.
    „Du wünschst dir nicht, mit der Dr. Claussen die Rollen zu tauschen?“ fragte Nina.
    „Mit Dr. Claussen - nein, das ist etwas anderes. Sie ist allerdings ein Reibeisen, wie es im Buche steht - aber ich bewundere ihr Wissen. Sie ist sicher sehr tüchtig. Schwester Eldrid könnte ich glatt erwürgen - aber die Dr. Claussen - nein, mag sie noch so ruppig sein, die Claussen hab’ ich beinahe gern-“
    „Dir ist also der Respekt vor dem Arzt schon in Fleisch und Blut übergegangen“, lachte Ilse.
    Auch Nina wandte sich erstaunt an Eirin: „Du behauptest, einen großen Respekt vor Dr. Claussens Kenntnissen und ihrer Tüchtigkeit zu haben. Du vergißt aber, daß Schwester Eldrid auch ausgezeichnete Kenntnisse in ihrem Fach hat. Und wenn du einmal selbst so weit kommen solltest, so würdest auch du erwarten, daß andere deine Kenntnisse respektieren.“
    „Ja, aber ich würde kein Sklaventreiber sein, wenn ich Stationsschwester wäre“, verteidigte sich Eirin.
    „Aber auf Disziplin würdest du doch halten, nicht wahr?“
    „Natürlich! Disziplin muß sein.“
    „Glaubst du, daß die Schülerinnen immer zwischen Disziplin und Sklaventreiberei unterscheiden können? Würdest du nicht fürchten, dich unbeliebt zu machen?“ Eirin wurde unsicher.
    Nina beruhigte sie: „Keine Angst! Ich rede nur theoretisch. Und ich finde auch, daß Schwester Eldrid ein ausgesprochenes Reibeisen ist.“
    „Sie sollte an ihren Augenlidern aufgeknüpft und gezwungen werden zu blinzeln“, murmelte Doris und stopfte sich drei Apfelsinenschnitten auf einmal in den Mund.
    Ilse fand den Witz zu komisch. Sie lachte, daß sie sich das Taschentuch vor den Mund halten mußte und zu ersticken drohte.
    „Kinder, ich sehe es vor mir“, japste sie. „Schwester Eldrid, die an den Augenlidern hängt und blinzelt!“ Ihr Gelächter steckte die andern an. Die ganze Gesellschaft quietschte vor Vergnügen. Der kleine Scherz hatte genügt, sie außer Rand und Band zu bringen. Wahrlich, sie hatten sonst wirklich nichts zu lachen. Sie waren so übermüdet, so nervös, die jungen Rücken taten weh, und die müden Beine schmerzten, eigentlich war es nur ein Zufall, daß sie jetzt lachten. Ebensogut hätten sie alle miteinander auf Kommando losheulen können!
    Nina war die einzige, die ruhig blieb. Sie stand auf und gähnte.
    „Kinderchen, ich gehe jetzt in die Falle. Es ist schon spät, und ich soll morgen früh um neun schon im Operationssaal sein.“
    „Ist es was Aufregendes?“ fragte Doris sensationslüstern.
    „Ein Ulcus ventriculi, glaube ich.“
    „Ein was?“
    „Magengeschwür“, erklärte Nina. „Gute Nacht, und hört auf den Rat einer alten Tante: Geht jetzt zu Bett - ihr könnt ja nicht mehr aus den Augen sehen vor Müdigkeit, ihr armen Dinger. In ein oder zwei Monaten könnt ihr wieder ein kleines Budenfest geben, aber so lange braucht ihr, bis ihr euch an die Schufterei gewöhnt habt. Wir sehen uns dann wieder - bei mir. Ich hab’ im nächsten Monat Geburtstag. Ihr seid hiermit herzlichst eingeladen. Gute Nacht!“
    Die Tür fiel hinter Nina ins Schloß. Die andern blickten sich gegenseitig an. Das Lachen war ebenso schnell verstummt, wie es angefangen hatte. Sie sahen aus wie ein Schwarm zerzauster Sperlinge, wie sie da auf der Bettkante und den Holzstühlen hockten mit grauen Gesichtern, vor Müdigkeit rotgeränderten Augen und zerwuschelten Haaren.
    „Wir müssen es mit Humor nehmen“, seufzte Ilse. „Andere überleben es auch, also werden wir’s wohl auch können. Nehmt euch noch was Gutes mit ins Bett, und schönen Dank für den heutigen Abend!“

11
    Die Patienten hatten Essenszeit.
    Das Mittagessen kam in großen Aufzügen aus der Küche herauf. Wagen auf

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