Schwester Lise
hatte sie Schwester Lise. Fräulein Toresen hatte in der ersten Zeit in einem Einzelzimmer gelegen. Aber der Platz im Krankenhaus war knapp, und eines Tages mußte Fräulein Toresen in einen Krankensaal übersiedeln. Da lag sie denn und konnte nicht einmal selbst nach der Schwester läuten; das mußte jetzt die Patientin aus dem Nachbarbett für sie tun.
Und die Schwester mußte kommen, ihr die Nase putzen, ihr zu trinken geben, ihr die Schale hinhalten, denn beide Arme lagen in Gips.
Jetzt durfte sie also ein wenig den einen Arm gebrauchen und war selig, sich ein bißchen selbst helfen zu können. Sie setzte ihre Ehre darein, sowenig wie möglich die Schwestern zu belästigen, genau wie Berti und Tildchen, deren kleine, helle Mädchenstimmen sich so erwachsen und vernünftig ausnahmen, wenn sie sagten:
„Die Schwestern haben so viel zu tun, die Ärmsten, und wir Patienten haben gar nichts zu tun, da dürfen wir doch nicht immer klingeln, wenn es nicht was Dringendes ist.“
Aber am anderen Ende des Korridors, in der „besseren Verpflegungsklasse“, der ersten, lag eine Schiffsreedertochter in einem Einzelzimmer mit Telefon auf dem Nachttisch und einer Flut von Blumen und Konfekt. Sie hatte eine einfache Operation durchgemacht, einen ganz gewöhnlichen Blinddarm von der Sorte, von der fünfzehn aufs Dutzend gehen, wie der Assistenzarzt, der junge Dr. Gard, zu sagen pflegte. Jetzt lag sie da und langweilte sich, polierte sich die Nägel, frisierte sich andauernd und läutete zehnmal in der Stunde nach der Schwester.
Eirin konnte sich das Lachen nicht verkneifen, so ärgerlich sie auch war.
Fräulein Schallberg wurde eingeliefert, kurz bevor Eirin mit der Nachtwache anfing. Sie lag auf ihrem Flur, und Eirin war schon ein paar Tage für sie gerannt.
„Gute Schwester Lise“, sagte Fräulein Schallberg und lächelte katzenfreundlich, „könnten Sie nicht so gut sein und die Gardine ein bißchen vorziehen, die Sonne scheint mir gerade in die Augen.“
Eine Viertelstunde später läutete es wieder. „Ach, Schwester Lise, würden Sie mir wohl meinen Manikürkasten reichen und den Handspiegel - tausend Dank!“
Fünf Minuten Ruhe. Dann klingelte es wieder, und auf der Nummernscheibe fiel die verhaßte Sechs herunter.
„Vermaledeites Frauenzimmer“, murmelte Eirin. Sie wollte gerade mit der Klistierspritze in den Saal gehen und hatte im Augenblick gar keine Zeit, wieder einmal für Fräulein Schallberg zu rennen.
„Pscht, Lise, du vergißt immer, daß jede Krankenschwester von dem Geist milder Verträglichkeit erfüllt sein soll“, neckte Schwester Doris, die Speibecken abwusch, daß der Dampf um die Kumme aufwallte.
„Warte nur, bis der Quälgeist wieder so weit hergestellt ist, daß er körperliche Züchtigung aushalten kann“, murmelte Eirin und steuerte auf Nummer sechs los.
„Süße Schwester Lise, ich langweile mich so schauderhaft -können Sie mir nicht eines von den Büchern da drüben auf dem Tisch geben - nein, nicht das in dem roten Einband, das hab’ ich gelesen, aber das andere - das dicke da, ja - vielen Dank - wie spät ist es eigentlich, Schwester Lise?“
„Elf“, murmelte Eirin und ging hinaus.
Am nächsten Morgen hielt Fräulein Schallberg sie wieder mit ihrem ewigen Geklingel in Atem. Nachdem Eirin im Laufe einer Stunde siebenmal bei ihr drinnen gewesen war, seufzte sie ergeben und sagte:
„Verzeihung, Fräulein Schallberg, aber wenn Sie noch mehr Wünsche haben, dann seien Sie doch so gut, es gleich zu sagen. Jetzt ist nämlich die Hauptarbeitszeit, und ich habe sehr viel zu tun.“
Fräulein Schallberg hob erstaunt ihre gefärbten Augenbrauen, öffnete ihren rotbemalten Mund und fragte mit verwunderter Stimme:
„Ja, aber - haben Sie denn noch mehr Patienten zu versorgen außer mir?“
Da hatte Eirin Mühe, sich das Lachen zu verbeißen. Sie unterdrückte, so gut sie konnte, selbst das Lächeln und sagte freundlich:
„Sie sind eine von vierundzwanzig, Fräulein Schallberg.“
„Du Allmächtiger“, rief Fräulein Schallberg. „Ich dachte, wenn ich in der besten Verpflegungsklasse läge, dann - “
„Ja, dann haben Sie ein Einzelzimmer, eigenes Telefon, besonders gutes Essen, aber keine eigene Schwester.“ Fräulein Schallberg schien enttäuscht.
„Nun, das muß ich doch wohl beanspruchen können, wenn ich dafür bezahle.“
„Das glaube ich kaum. Extrawachen haben wir nur für die Patienten, die wirklich krank sind.“ Da drehte sich die Patientin wütend
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