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Schwesterlein, komm stirb mit mir

Schwesterlein, komm stirb mit mir

Titel: Schwesterlein, komm stirb mit mir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Sander
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weit her, als stünde jemand am anderen Ende eines Tunnels. Wieder sprach die Stimme. «Liz! Hörst du mich?»
    Ihr eigener Name hallte seltsam hohl an den Wänden des Tunnels entlang. Sie kannte die Stimme nicht. Wer rief sie da? Ihr Vater? Hendrik? War sie tot, und ihr Bruder erwartete sie an der Pforte zur Hölle? Klang die Stimme deshalb so verzerrt? War das Licht deshalb so hell gewesen?
    «Liz?»
    Plötzlich war die Stimme deutlich und klar. Und mit ihrem Klang kam die Erinnerung. Die Blaulichtfahrt mit Stadler, das heruntergekommene Treppenhaus, der Aufzug …
    Liz schreckte hoch.
    Zwei Hände packten sie und drückten sie zurück auf den weichen Untergrund. «Bleib liegen, Liz. Du hast einen Schock. Der Arzt hat dir etwas zur Beruhigung gegeben.»
    Noch immer wusste sie nicht, zu wem die Stimme gehörte. Sie blinzelte, versuchte zu erkennen, wo sie war. Über ihr stand ein fremder Mann und betrachtete sie. Sein Gesicht berührte beinahe das ihre, trotzdem waren seine Züge nur schemenhaft zu erkennen. Von dem schäbigen Hemd, das er trug, ging ein beißender Geruch aus. Verdammt, wo war sie? Und wer war der Fremde?
    Liz drehte den Kopf und schaute sich um. Ein enger Raum, medizinische Gerätschaften an den Wänden. Das Innere eines Krankenwagens. Erleichtert stieß sie die Luft aus. Das helle Licht blitzte wieder auf. Der Fremde beugte sich erneut über sie, eine Taschenlampe in der linken Hand. Ein Arzt? Warum trug er keinen Kittel?
    «Ich muss mit Stadler sprechen.» Wieder versuchte Liz, sich aufzurichten.
    Der Mann hielt sie fest. «Kriminalhauptkommissar Stadler ist beschäftigt. Du kannst mir alles sagen, ich sorge dafür, dass er es erfährt.»
    «Sind Sie Polizist?» Liz fasste sich benommen an den Kopf. Warum duzte der Mann sie? Gehörte er zur Moko Ripper? Sollte sie ihn kennen?
    Erschöpft schloss sie die Augen. Sofort sah sie wieder das grauenvolle Bild vor sich: Der Aufzug, die tote Frau, der blutige Schriftzug. Sie wimmerte.
Lieber Gott
, dachte sie,
bitte mach, dass ich das nur geträumt habe
.
    «Ist dir nicht wohl?», fragte der Fremde. Seine Stimme war voller Mitgefühl, doch es schwang noch etwas anderes mit, so als würde ihn ihre Verzweiflung amüsieren. Vielleicht hatte sie tatsächlich nur geträumt und im Schlaf geredet.
    Unter großer Anstrengung öffnete Liz erneut die Augen. Ihre Lider fühlten sich an, als hätte jemand sie zugeklebt. Der Fremde stand noch immer über ihr. Langsam hob er den Arm. Jetzt sah Liz, dass er eine Spritze in der rechten Hand hielt. Im gleichen Augenblick schwankte alles um sie herum, der Krankenwagen wackelte, jemand ächzte, und der Fremde stieß einen Fluch aus. «Scheiße!»
    Da war noch eine Person in dem Krankenwagen! Aber wo? Liz wandte den Blick zur Seite und erkannte eine Gestalt im orangefarbenen Overall, die zusammengerollt auf dem Boden lag. Der Notarzt.
    Sie schrie. Dann wurde es dunkel.
     
    Als Liz das nächste Mal die Augen öffnete, blickte sie in Stadlers besorgtes Gesicht. «Geht es dir gut?»
    Liz richtete sich auf und schaute nervös in alle Ecken. «Jemand war hier!» Ihre Kehle war so trocken, dass sie kaum sprechen konnte. «Er hat den Notarzt –»
    «Ich weiß.» Stadler sah zur Wagentür. «Er muss sich unter die Schaulustigen gemischt haben. Oder er hatte eine Polizeiuniform. Jedenfalls hat er es geschafft, in den abgesperrten Bereich zu gelangen. Dem Notarzt geht es gut. Er hat nur eine Gehirnerschütterung. Was der Scheißkerl dir spritzen wollte, wissen wir noch nicht.»
    «Ist er weg?», fragte Liz. Ihre Hände zitterten, hinter ihrer Stirn pochte es.
    «Ja. Aber wir erwischen ihn.»
    «Die Frau im Aufzug? Habe ich das …», fragte Liz leise. Es fiel ihr schwer, gegen die lähmende Angst in ihrem Inneren anzureden. Aber sie musste es tun.
    «Vergiss es, Liz. Ich lasse dich gleich von hier in die Wohnung bringen. Für die weiteren Ermittlungen in diesem Fall fordere ich das LKA an.»
    Sie hatte es also nicht geträumt. Eine Woge aus Schmerz überrollte Liz. Sie krümmte sich, zog die Knie ans Kinn. «Nein», flüsterte sie entsetzt. «Nein!»
    Stadler nahm sie in den Arm und strich ihr über das Haar. «Ich hätte nicht zulassen dürfen, dass du den Tatort siehst. Bitte denk nicht mehr daran.»
    Liz stöhnte auf. «Aber warum hat er das getan? Ich verstehe das nicht. Warum nur?»
    «Weil er ein perverses Arschloch ist.»
    Liz schossen die Tränen in die Augen. Sie weinte hemmungslos, während Stadler sie wortlos

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