Schwesterlein, komm stirb mit mir
sich über den Kofferraum.
Die Frau gurgelte eine unverständliche Antwort.
«Wir sind solche Idioten», fluchte Stadler und hob seine Kollegin behutsam aus dem Wageninneren. «Solche verdammten Idioten! Es wäre so einfach gewesen, dich zu finden, wenn wir nur unseren Kopf benutzt und richtig gesucht hätten.»
Liz wandte sich ab. Sie verzichtete darauf, Stadler zu erklären, dass der Täter den Ford mit der gefesselten Frau erst vor weniger als vierundzwanzig Stunden hier abgestellt haben konnte, dass Linda längst tot wäre, wenn sie seit über einer Woche wie ein Paket verschnürt und ohne Wasser in dem Kofferraum gelegen hätte. Diese Erkenntnis würde Stadler früher oder später sowieso kommen.
Liz lehnte sich an den Polizeiwagen und wünschte sich, sie würde rauchen. Dies wäre der Moment für eine Zigarette. Vielleicht sollte sie auf Deborah hören. Nicht mehr so verflucht vernünftig sein, sondern endlich anfangen zu leben.
Ein Krankenwagen näherte sich, zwei Männer sprangen heraus und kümmerten sich um die entkräftete Polizeibeamtin. Liz sah zu, wie die beiden die Frau zu dem Wagen geleiteten. Jan Schneider hatte der Polizistin keine ernsthaften Verletzungen beigebracht. Und er hatte den Wagen so geparkt, dass sie früher oder später gefunden werden musste. Vielleicht hatte er sogar das Stück Stoff absichtlich in die Kofferraumklappe eingeklemmt.
Schneider hatte nicht die Absicht, Unschuldigen zu schaden. Er rächte sich erbarmungslos an denen, die er für sein Schicksal verantwortlich machte, doch er schonte die, die ihm nichts getan hatten.
Die Erkenntnis nahm eine große Last von Liz’ Schultern. Jan Schneider war kein Monster. Natürlich waren seine Taten grausam und durch nichts zu rechtfertigen. Aber er schlachtete nicht willkürlich Menschen ab, wie der Ripper es tat. Jan Schneider befand sich auf einem Rachefeldzug, die Morde des Rippers waren von ganz anderem Kaliber.
Sonntag, 3. November, 12:42 Uhr
Eine halbe Stunde nach dem Telefonat mit dem Zeugen hielten Birgit und Miguel vor einer Hochhaussiedlung im Süden der Stadt.
Der Einsatzleiter des SEK wartete bereits auf sie. Miguel bat die Männer, Birgit und ihn ins Haus zu begleiten, sich aber zunächst im Hintergrund zu halten. Sie sollten nur eingreifen, falls sich herausstellte, dass der Anrufer – angeblich ein Rentner namens Hartmut Brinkmann – kein harmloser Zeuge war.
Sie gingen auf das Haus zu, dessen Wände mannshoch mit Graffiti beschmiert waren. Müll sammelte sich in den fast kahlen Gebüschen vor den Fenstern, ein Einkaufswagen lag in einem verwaisten Sandkasten. Nach einigem Suchen fand Birgit das Klingelschild, auf dem Brinkmann stand, und drückte den Knopf. Es dauerte lange, bis eine Stimme durch die Sprechanlage zu ihnen drang.
«Ja, bitte?»
«Polizei hier», sagte Miguel. «Bitte machen Sie auf. Welches Stockwerk?»
Ein kurzes Schweigen folgte, dann wieder die Stimme. «Achter Stock. Links.»
Es summte, und Birgit drückte die Tür auf. Drinnen stank es nach Abfall und Fäkalien. Auch hier waren die Wände beschmiert, Putz bröckelte ab, ein Kinderwagen ohne Räder stand in einer Ecke, daneben zwei Fahrräder und eine Gehhilfe.
«Nett hier», stellte Miguel fest.
Die Männer des SEK folgten ihnen. Zwei begaben sich über das Treppenhaus nach oben, die übrigen warteten mit Birgit und Miguel auf den Aufzug. Doch der ließ auf sich warten. Schweigend standen sie da und starrten auf die Türen, auf die jemand das Wort «Scheißbullen» geschmiert hatte.
Ein alter Mann mit schlabberiger Cordhose, Bart und Baseballkappe kam die Treppe herunter geschlurft. «Das blöde Ding geht schon den ganzen Morgen nicht», sagte er mit einem Blick auf den Aufzug. «Aber versuchen Sie es noch mal, jetzt müsste er eigentlich wieder funktionieren.»
Birgit trat einen Schritt zur Seite, um den unangenehm stinkenden Mann passieren zu lassen, während Miguel erneut auf den Kopf drückte. Tatsächlich klackte es hinter den Metalltüren, der Aufzug hatte sich in Bewegung gesetzt. Es dauerte ein paar Sekunden, dann ertönte ein Klingelton, die Türen fuhren auf.
Birgit warf einen Blick ins Innere. Gleichzeitig stöhnte Miguel neben ihr entsetzt auf.
Sonntag, 3. November, 12:58 Uhr
Stadler nahm die zwei Kaffeebecher entgegen und ging zu dem Wagen, in dem Liz saß und wartete. Er stellte die Becher auf dem Dach ab, öffnete die Fahrertür, griff erneut nach den Bechern und stieg ein.
«Hier.» Er reichte Liz eins der
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