Schwesterlein, komm stirb mit mir
gingen Hinweisen nach. Polizeiteams durchsuchten alle Immobilien, die Jan Schneider gehörten, auch die, die offiziell vermietet waren. Florian Schenk war soeben von einem Treffen mit der Krankenschwester zurückgekehrt, die einen verdächtigen Fremden im Krankenhaus bemerkt hatte. Und sie hatte ihn auf dem Foto wiedererkannt. Ein anderer Kollege sprach mit Schneiders Bewährungshelfer. Birgit und Miguel besuchten den Mann, der sich in der Therapiegruppe Boy nannte. Mit bürgerlichem Namen hieß er Daniel Hartmann und war wegen sexueller Nötigung vorbestraft. Sein Trauma war frei erfunden. Ein mieses Arschloch also, aber vermutlich nicht der gesuchte Killer. Die beiden mussten jeden Augenblick zurück sein. Stadler gab ihnen noch fünf Minuten, dann wollte er mit der Besprechung beginnen.
Gerade als er loslegen wollte, stürzte Birgit in den Raum. Sie schüttelte stumm den Kopf. Hinter ihr erschien Miguel und schloss die Tür. Die beiden blieben vor der Wand stehen, da alle Stühle im Raum besetzt waren. Auch viele andere Mitglieder der Moko standen.
Stadler räusperte sich, langsam wurde es still. So knapp wie möglich legte er die wichtigsten Fakten des Falls dar. Dazu gehörte auch, dass er die versammelten Beamten darüber aufklärte, wer Liz Montario in Wirklichkeit war. Diese Information sorgte kurzzeitig für Unruhe, und einige abstruse Theorien wurden in den Raum gerufen.
«Was, wenn sie selbst die Morde begangen hat, um ihrem Bruder nachzueifern?», fragte einer.
«Vielleicht war sie damals schon die Mörderin, und Vermeeren hat nur die Verantwortung für seine kleine Schwester übernommen», ergänzte ein anderer. «Dann wäre dieser Schneider ein reines Ablenkungsmanöver.»
«Ruhe!», ging Stadler vehement dazwischen. «Ich will diesen Blödsinn nicht hören! Reißt euch zusammen, ja? Liz Montario kommt als Täterin nicht in Frage. Sie hat ein Alibi. Als Deborah Arendt ermordet wurde, saß sie bei mir im Auto. Genügt das?»
Betretenes Schweigen folgte seinen Worten.
«Wir haben es also», fuhr er fort, «mit einem einzigen Täter zu tun, der zugleich zwei Mordserien begeht. Die eine Serie hat er versucht zu verschleiern, indem er die Taten als Unfälle tarnte. Die andere konnte ihm gar nicht spektakulär genug sein, denn mit ihr wollte er Elisabeth Montario anlocken.»
«Aber warum?» Florian Schenk verschränkte die Arme. «Was hat Jan Schneider mit der Montario zu schaffen?»
Stadler seufzte. «Das ist die Frage, auf die wir noch keine Antwort haben. Im Augenblick gehen wir davon aus, dass er eine Rechnung mit der Familie begleichen will, weil er die Strafe absitzen musste für das Feuer, das Hendrik Vermeeren legte.»
«Und warum hat er Liz Montario dann nicht umgebracht, als er es konnte? Als sie im Krankenwagen in seiner Gewalt war?» Die Frage kam von Paul Heinrichs.
«Dafür habe ich auch keine Erklärung», gab Stadler müde zu. «Genauso wenig wie für die Tatsache, dass er Linda verschont hat.»
«Verstehe ich das richtig?», fragte ein anderer. «Der Täter betreibt den ganzen Aufwand nur für diese Psychologin? Aber warum bringt er dann ausgerechnet transsexuelle Frauen um? Und was ist mit den Botschaften bei den Leichen? Das Wort ‹touchable› ist ja noch verständlich, aber ‹falsche Schwester›: Was soll das bedeuten?»
Miguel schaltete sich ein. «Vielleicht haben diese Botschaften gar keine Bedeutung. Vergesst nicht: Wenn unsere Theorie stimmt, hat er die Frauen einzig und allein getötet, um ein Spiel mit Liz Montario zu spielen. Demnach waren die aufgeschlitzten Bäuche, die Puppen und auch die mit Blut geschriebenen Botschaften lediglich Accessoires.»
«Für mich ergibt das keinen Sinn», verkündete Heinrichs mit skeptischer Miene. «Falsche Frauen, nackte Puppen, blutige Botschaften – und das alles aus Rache an einer Familie? Könnten wir es nicht bei dem letzten Mord mit einem Nachahmungstäter zu tun haben?»
Für einen Augenblick war Stadler aus dem Konzept gebracht. An diese Möglichkeit hatte er nicht gedacht. Immerhin war der Mord an Tanja Matzurka genüsslich in der Presse ausgebreitet worden, auch wenn nicht alle Details durchgesickert waren. In einem solchen Fall bestand immer die Gefahr, dass jemand darauf ansprang. «Ich halte das für unwahrscheinlich», sagte er dennoch. «Aber wir bleiben für alle Optionen offen.»
«Wir sollten uns auf das konzentrieren, worauf wir uns verstehen», ergänzte Miguel. «Spuren sichern und auswerten, den Kerl
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