Schwesterlein, komm stirb mit mir
an. «Wie kommen Sie darauf?»
«Er lebt also?»
«Natürlich. Und jetzt verschwinden Sie!»
Im gleichen Augenblick gellte ein schriller Klingelton durch die Wohnung.
«Das ist bestimmt die Friseuse, auf die Sie warten», sagte Liz. Ihr war klar, dass sie in Anwesenheit einer dritten Person erst recht keine Informationen aus Marianne Burgmüller herausbekommen würde. Sie hatte es falsch angepackt, ihre Chance vertan. «Ich gehe dann jetzt. Setzen Sie sich nur wieder, ich öffne die Tür. Bitte entschuldigen Sie noch einmal die Störung.» Liz zögerte kurz, dann fischte sie eine Visitenkarte aus ihrer Handtasche. «Falls Sie es sich anders überlegen, rufen Sie mich einfach an.»
Auf der Straße atmete Liz tief durch. Etwas stimmte mit dem Ehepaar Burgmüller nicht, warum sonst sollte die Frau auf eine einfache Frage derart abweisend reagieren?
Frustriert machte Liz sich auf den Weg zu ihrem Golf. Zum zweiten Mal an diesem Tag hatte sie das Gefühl, total versagt zu haben. Da half es auch nichts, dass sie mit ihrer Vermutung bezüglich des Verstecks von Tanja Matzurka richtig gelegen hatte. Offenbar war sie nur als Bücherwurm nützlich, für den Außeneinsatz taugte sie überhaupt nicht.
Nach wenigen Schritten erreichte Liz den Wagen und stockte. Unter dem Scheibenwischer steckte ein weißer Umschlag.
Donnerstag, 24. Oktober, 18:32 Uhr
«Gotcha!» Linda Franke ballte die Hand zur Faust. «Das kommt davon, wenn man zu eitel ist. Das hat schon so manch einem das Genick gebrochen.»
Ein Kollege blickte von seinem Mikroskop auf. «Was gefunden, Linda?»
«Sieht so aus», erwiderte sie vage. «Ich muss es aber noch verifizieren.»
«Viel Erfolg.»
Linda scrollte durch die Tabelle und verglich die Angaben mit ihrem Untersuchungsergebnis. Sie hatte gerade die chemische Zusammensetzung eines Lacksplitters untersucht, den sie an Ruben Kellers Fahrrad gefunden hatten. Der Position nach musste er vom Unfallauto stammen. Der Lack enthielt Silikat-Partikel, was bedeutete, dass der Wagen eine matte Lackierung besaß. Und die war nicht nur selten, sondern auch viel schwerer auszubessern als Hochglanzlack. Das zusammen mit den Reifen, die ebenfalls bei nur wenigen Modellen Verwendung fanden, schränkte die Menge der für den Unfall in Frage kommenden Fahrzeuge erheblich ein. Pech für den Täter, Glück für die Kripo.
Linda lehnte sich zurück. Eigentlich sollte sie damit sofort zu Stadler gehen, dann könnte er vielleicht schon morgen den Unfallfahrer dingfest machen. Wieder ein Sternchen auf der langen Liste der Erfolge von Kriminalhauptkommissar Georg Stadler. Linda verzog das Gesicht. Gönnte sie ihm das? Hatte er das verdient? Definitiv nicht. Bisher hatte sie Stadler für einen coolen Typen gehalten. Attraktiv, charmant, kollegial. Ein echt netter Kerl. Wenn sie ehrlich war, war sie sogar ein bisschen verknallt gewesen. Aber das war vorbei, seit er sie letzte Nacht einfach auf der Straße hatte stehen lassen wie ein billiges Flittchen. So ein arrogantes Arschloch. Was bildete der sich eigentlich ein? Dass er mit ihr herumspielen konnte? Dass er sie ungestraft erst anbaggern und dann eiskalt abblitzen lassen konnte? Wer war sie denn? Womöglich glaubte er, dass sie das noch heißer machte. Aber da täuschte er sich gewaltig. Sie hatte auch ihren Stolz. Und sie hatte es weiß Gott nicht nötig, einem Typen hinterherzurennen, egal, wie attraktiv er war.
Seit dem schiefgelaufenen Date war sie Stadler aus dem Weg gegangen. Auch als eben ein kleines Team angefordert worden war, um einen Keller zu untersuchen, hatte sie Kollegen den Vortritt gelassen. Normalerweise fuhr sie gern mit zum Tatort, das war immer eine willkommene Abwechslung zum Laboralltag. Aber als sie erfahren hatte, dass es Georg Stadler war, der die KTU brauchte, hatte sie verzichtet.
Linda überlegte. Der Todesfahrer würde ihnen so oder so nicht entkommen. Im Grunde konnte sie auch selbst die Liste mit den in Frage kommenden Fahrzeugen zusammenstellen. Und überprüfen. Dass sie bei der Kriminaltechnik arbeitete, hieß ja nicht, dass sie keine fähige Ermittlerin war. Sie könnte die Halter unter einem Vorwand abtelefonieren und die Verdächtigen herausfiltern. Danach würde sie sich die übriggebliebenen Fahrzeuge auf Schäden hin ansehen. Und der Mordkommission dann den Täter auf dem Silbertablett servieren. Fall gelöst. Ohne den genialen Stadler.
Der Gedanke gefiel ihr. Stadler den Fall wegschnappen und selbst die Lorbeeren ernten. Dieser
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