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Schwesterlein, komm stirb mit mir

Schwesterlein, komm stirb mit mir

Titel: Schwesterlein, komm stirb mit mir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Sander
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ein kollektives Luftholen erfüllte den Raum, als die erste Aufnahme auf das Whiteboard geworfen wurde. «Multiple Stichwunden. Großräumig geöffnete Bauchhöhle, genau wie bei Talmeier. Einige Organe wurden entnommen und in eine Schale gelegt. Wieder eine Babypuppe, diesmal jedoch lebensgroß und an die Brust gelegt. Zudem ein Schriftzug an der Wand, und zwar die Worte ‹Falsche Schwester›.» Er ließ weitere Fotos durchlaufen, die das Opfer von verschiedenen Seiten und den Kreißsaal in der Totale zeigten. «Wir wissen noch nicht, wie der Täter Tanja Matzurka an den Fundort brachte. Die Zeugenbefragung läuft, doch das kann mehrere Tage in Anspruch nehmen.»
    Jemand stöhnte.
    «So ein Scheiß», murmelte ein anderer.
    «Jedenfalls muss Tanja Matzurka noch gelebt haben, als sie ins Krankenhaus gebracht wurde», fuhr Stadler fort. «Die Blutspuren lassen keinen Zweifel zu, dass der Fundort auch der Tatort ist. Fragen? Ideen?»
    «Gibt es im Krankenhaus Videoüberwachung?», meldete sich Birgit Clarenberg.
    «Ja. Leider nur im Eingangsbereich. Ich habe schon Kollegen abgestellt, die das Material sichten. Aber das Gebäude hat mehr als ein halbes Dutzend Zugänge: über das Schwesternheim, die Tiefgarage, die Liegendanfahrt, die Ambulanz, und so weiter.»
    «Sie sollten nach einem Mann Ausschau halten, der wie ein Pfleger oder Arzt gekleidet ist», schaltete sich Liz Montario ein. «Und der sich sehr zielstrebig bewegt. Kein Plausch mit Kollegen, nach Möglichkeit nicht einmal Augenkontakt mit den Menschen, denen er begegnet. Er hat etwas Großes bei sich, mit dem man einen Menschen transportieren kann, vielleicht schiebt er ein Bett oder einen Wäschewagen.»
    «Danke für den Hinweis.» Stadler sah sie an. Liz’ Gesicht wirkte noch blasser als sonst. Es musste doppelt schlimm für sie gewesen sein, den Tatort zu besichtigen, bei den Erinnerungen, die das zwangsläufig heraufbeschwören musste. Aber sie hatte sich gut gehalten. Er schaltete den Beamer aus und setzte sich. «Ach ja, ich habe jemanden zum Haupteingang geschickt, der Videoaufnahmen von den Schaulustigen macht. Ich halte es für möglich, dass der Täter sich vergewissern will, dass alles nach Plan gelaufen ist.» Wieder sah er zu Liz hinüber, die ein Nicken andeutete.
    «Was will dieser Scheißkerl?», fragte ein Kollege, den Stadler nur flüchtig kannte, weil er eigentlich im KK   12 arbeitete.
    «Die Frage gebe ich mal direkt weiter.» Er nickte Liz auffordernd zu.
    Sie presste die Lippen zusammen, bevor sie leise sprach. «Alles, was ich jetzt sage, ist äußerst spekulativ», begann sie. «Ich kenne noch viel zu wenige Details, um auch nur eine halbwegs seriöse Analyse des Tathergangs zu erstellen, von einem Täterprofil ganz zu schweigen. Alles, was ich jetzt sage, gilt also nur unter Vorbehalt. Der Mann, der Tanja Matzurka getötet hat – und ich bin mir sehr sicher, dass es sich um einen Mann handelt – ist zugleich ein penibler Planer und ein risikofreudiger Spieler. Für den Planer spricht Folgendes: Er hat es geschafft, eine Frau zu entführen und mehrere Tage gefangen zu halten, ohne dass es auch nur die kleinste Spur gab. Und er hat es geschafft, diese Frau in ein volles Krankenhaus zu schmuggeln, ein unvorstellbares Blutbad in einem Kreißsaal anzurichten und unerkannt wieder zu verschwinden. So etwas gelingt nur, wenn es bis ins kleinste Detail durchgeplant ist. Andererseits hat dieser Mann sich für seine Tat einen Ort ausgesucht, der mit einem extrem hohen Risiko behaftet ist. Und das ohne Not. Er hätte Tanja Matzurka überall umbringen können. Idealerweise in dem Kellerraum, wo er sie gefangen hielt. Der Kreißsaal ist nicht Teil seiner Phantasie, weder bei Leonore Talmeier noch bei Manuel Geismann spielte der Tatort eine besondere Rolle. Die beiden brachte er dort um, wo er sie angetroffen hat.» Liz holte Luft. «Ich bin mir nicht sicher, was diese Änderung des Modus operandi bedeutet, doch ich glaube, dass sie wichtig ist. Der Ort ist ein Statement, eine Botschaft. An die Öffentlichkeit, an die Polizei. Eine Kampfansage, eine Aufforderung, den Wettstreit mit ihm aufzunehmen. Und genau hier wird es interessant. Denn der Tatort, den ich vorhin gesehen habe, ist inszeniert. Wie aus dem Lehrbuch – nein, nicht wie aus dem Lehrbuch – wie aus einem Hollywood-Film. Unecht. Gestellt. Die Puppe. Die mit Blut geschriebene Botschaft. Das alles hat etwas von einer Filmkulisse. Ich glaube, der Mörder spielt uns etwas vor.

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