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Schwesterlein, komm stirb mit mir

Schwesterlein, komm stirb mit mir

Titel: Schwesterlein, komm stirb mit mir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Sander
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Krankenzimmer öffnete und ihren Vater erblickte. Ulrich Montario war über Nacht um zehn Jahre gealtert. Am Tag zuvor hatte er bleich und erschöpft ausgesehen, heute wirkte er wie ein Greis.
    «Papa, wie geht es dir?» Liz trat zu ihm ans Bett.
    «Deine Mutter …»
    «Sie hat ihren Frieden gefunden, Papa. Bitte, quäl dich nicht. Du musst gesund werden, ich brauche dich.» Liz setzte sich auf die Bettkante und ergriff seine Hand.
    «Das ist alles meine Schuld. Ich hätte nie zulassen dürfen, dass sie …»
    Liz’ Herz krampfte sich zusammen. «Was hättest du nie zulassen dürfen?» Eine der Krankenschwestern hatte ihr erzählt, dass ihr Vater bereits von der Polizei befragt worden war. «Erinnerst du dich daran, was in der Nacht auf Donnerstag passiert ist? Hast du den Mann erkennen können?»
    «Den Mann? Wovon redest du, Kind?»
    «Von dem Einbrecher, Papa.»
    Ihr Vater schloss die Augen, sein Atem ging schwer. «Ein Polizist war hier. Degen oder Wegen. Ich weiß nicht mehr.»
    «Degenhard. Er leitet die Ermittlungen.»
    «Genau der. Er hat auch von einem Einbrecher gesprochen. Keine Ahnung, was er meinte.» Wieder schloss Ulrich Montario die Augen.
    «Du erinnerst dich gar nicht daran, was passiert ist, Papa? Weißt du denn noch, wovon du in der Nacht aufgewacht bist? Hast du ein Geräusch gehört?» Liz wollte ihren Vater nicht quälen, doch sie brauchte Informationen. Auch die lange Autofahrt nach Hannover, die ihr viel Zeit gegeben hatte nachzudenken, hatte an ihrer Entschlossenheit nichts geändert. Sie wollte nicht mehr wegsehen, sondern sich der Wahrheit stellen. Und sie wollte Jan Schneider zur Strecke bringen, bevor er sie zur Strecke brachte.
    «Doch, ich erinnere mich genau, mein Kind. Wie könnte ich ihn je vergessen, den Abend, der mein Leben zerstört hat.» Wieder holte Ulrich Montario mühsam Luft, als drücke ihm jemand die Kehle zu.
    «Ist alles in Ordnung, Papa? Soll ich einen Arzt rufen?»
    Er hob die Hand und winkte ab. «Ich brauche keinen Arzt.» Er versuchte sich aufzurichten. «Hilf mir.»
    Liz griff nach der Steuerung und ließ den oberen Teil des Bettes hochfahren, bis ihr Vater fast aufrecht saß. «Gut so?»
    «Ja.» Er tätschelte ihre Hand, sein Atem ging jetzt leichter.
    Liz betrachtete sein eingefallenes Gesicht. Jemand musste ihn am Morgen rasiert haben, doch er hatte einige Stellen übersehen. Am Kinn und auf der linken Wange waren rötlich graue Stoppeln zu sehen.
    «Du musst wissen, mein Kind, dass ich immer nur das Beste für dich und deine Mutter wollte. Das glaubst du mir doch, oder?»
    «Natürlich, Papa.»
    Er schwieg, schien mit sich zu ringen. Sein Mund öffnete sich ein paarmal, doch er brachte kein Wort über die Lippen.
    Liz bekam plötzlich ein schlechtes Gewissen. «Du musst nichts sagen, Papa. Bestimmt hat dieser Degenhard dich schon gelöchert.» Sie konnte später den Kommissar fragen, was er in Erfahrung gebracht hatte. Obwohl dieser sich vermutlich darauf berufen würde, dass alle Informationen im Zusammenhang mit den Ermittlungen vertraulich waren.
    «Doch, ich muss es dir sagen», widersprach Ulrich Montario. Das Luftholen schien ihm schon wieder Mühe zu bereiten. «Du musst es wissen, sonst verstehst du nicht …» Er stockte. «Es gibt etwas, das wir dir nie erzählt haben, Liz. Etwas über – über Hendrik.»
    Liz hielt die Luft an.
    «Er war nicht mein Sohn.»
    «Was?» Liz glaubte, sich verhört zu haben. «Ich verstehe nicht. Was willst du damit sagen, Papa?»
    «Deine Mutter und ich waren verlobt», begann Ulrich Montario schwer atmend. «Es war Freitagabend, wenige Wochen vor der Hochzeit. Wir waren essen und danach noch mit Freunden tanzen. Ich habe deine Mutter nach Hause gebracht. Sie teilte sich damals mit einer Freundin eine kleine Wohnung, die Freundin war allerdings verreist. Sie stieg aus dem Wagen, winkte mir, und ich fuhr davon.»
    Liz war sich nicht sicher, ob sie hören wollte, was als Nächstes kam.
    «Der Kerl muss im Hauseingang auf sie gewartet haben», fuhr Ulrich Montario fort. «Er zerrte sie in ein Gebüsch und vergewaltigte sie.»
    Liz versteifte sich.
    «Ich begleitete sie zur Polizei, als sie den Kerl anzeigte. Es war ein Spießrutenlaufen. Du kannst dir nicht vorstellen, was die Polizisten alles von ihr wissen wollten. Und von mir. Immerhin konnte deine Mutter den Mann recht gut beschreiben. Trotzdem wurde er nie gefasst.»
    «Und Hendrik?», flüsterte Liz.
    «Drei Wochen später stand fest, dass deine Mutter

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