Schwesterlein, komm stirb mit mir
vorgefühlt, ob es eine Möglichkeit gab, den Kollegen ins KK 11 zu holen.
«Was machen die Zeugenbefragungen im Krankenhaus?», wollte er als Nächstes wissen.
«Wir haben da eventuell eine Spur.» Paul Heinrichs, der Kollege mit den rigiden Essenszeiten, wedelte mit einem Blatt. «Einer Krankenschwester aus der Notaufnahme, die schon sehr lange im EVK arbeitet, ist ein Mann in Pflegerkleidung aufgefallen, der etwa zwanzig Minuten bevor Tanja Matzurka tot aufgefunden wurde, mit einem Wäschewagen an ihr vorbeiging.»
«Warum ist er ihr aufgefallen?»
«Sie sagt, dass sie jeden kennt, der im Krankenhaus arbeitet, zumindest vom Gesicht her. Aber dieser Mann war ihr völlig fremd. Außerdem hat er sich ständig umgeschaut. Jedenfalls kam ihr spontan der Verdacht, der Mann hätte Medikamente geklaut und unter der Wäsche versteckt. Sie wollte ihn im Auge behalten, doch dann wurde ein Notfall eingeliefert, und sie hat die Sache vergessen.»
Stadler beugte sich vor. «Klingt die Frau glaubwürdig?» Sie hatten sich schon einmal mit einem Wichtigtuer blamiert, eine zweite Panne durfte es nicht geben.
«Absolut», antwortete Paul. «Und sie kann den Mann beschreiben. Phantombild ist in Arbeit.»
«Gut.» Stadler nickte. Das konnte der Durchbruch sein. «Das Bild geht sofort an die Presse, wenn es fertig ist. Wir suchen den Mann als Zeugen, klar?»
«Klar, Chef.» Paul warf einen Blick auf die Uhr.
«Zeit für das zweite Frühstück?», stichelte ein Kollege neben ihm. «Nicht dass deine Verdauung aus dem Lot gerät.»
«Immerhin habe ich eine», gab Paul zurück.
«Ruhe!», fuhr Stadler dazwischen. «Es geht weiter mit den Websites und Chatrooms. Birgit, magst du kurz berichten?»
Birgit warf einen Blick in die Unterlagen. «Unsere Computercracks haben sich die Rechner der beiden Opfer vorgenommen. Bei Tanja Matzurka war es einfach. Sie war in mehreren Foren aktiv, in denen sich User mit speziellen Neigungen austauschen. Theoretisch könnte jedes dieser Foren als Ort in Frage kommen, an dem der Täter seine Opfer ausguckt.» Sie konsultierte erneut ihre Notizen. «Da ist ein Forum für Transsexuelle, eins für alle möglichen Menschen mit ungewöhnlichen sexuellen Vorlieben und eins für Personen mit psychischen Problemen. Wir haben bei allen dreien die Betreiber kontaktiert. Einer hat gemauert, einer hat sich bereit erklärt, die Nutzer zu warnen, und einer hat die Nutzer gefragt, ob sie bereit sind, der Polizei ihre Klarnamen zu geben, um bei der Aufklärung einer Mordserie zu helfen. Eine ganze Reihe User war dazu bereit, doch etwa zwei Dutzend haben sich sofort abgemeldet und sind in der Versenkung verschwunden. An die kommen wir nicht mehr ran ohne einen richterlichen Beschluss, und ihr wisst selbst, wie schwer es ist, Daten aus dem Netz zu kriegen, sogar mit Beschluss. Die User, die uns freiwillig ihre Daten gegeben haben, sind überprüft. Wir konnten sie alle aus verschiedenen Gründen als Täter ausschließen.» Birgit holte Luft. «Auf Leonore Talmeiers Rechner haben wir nichts gefunden. Das heißt natürlich nicht, dass sie in keinem Forum angemeldet war. Sie war vermutlich sehr vorsichtig, schließlich hatte sie einen Ehemann, der nichts erfahren durfte. Wir haben auch ihren Computer im Büro untersucht, ebenfalls Fehlanzeige. Falls sie also irgendwo mit – hm, sagen wir ‹Leidensgenossinnen› gechattet hat, dann hat sie es nie von ihren eigenen Rechnern aus getan. Ich könnte mir vorstellen, dass sie dafür in ein Internetcafé gegangen ist. Unmöglich, das festzustellen. Sackgasse also.»
«Erstaunlich, dass sie auf einen Killer hereingefallen sein soll, wenn sie ansonsten so vorsichtig war», meinte Florian Schenk.
«Ich nehme an, dass sie sich unter Menschen, die das Gleiche durchgemacht haben wie sie, sicher gefühlt hat», wandte Birgit ein. «Aber das ist nur eine Vermutung. Vielleicht war sie überhaupt nicht in einem Forum angemeldet, und der Killer hat sie auf ganz andere Art ausfindig gemacht. Er könnte irgendwie Zugang zu Patientenakten haben, zum Beispiel bei einer Krankenkasse. Oder er hatte vor Gericht mit Leonore Talmeier zu tun, bevor sie operiert wurde.»
«Das können wir niemals alles überprüfen», murmelte Schenk resigniert.
«Unsere größte Hoffnung ist momentan das Phantombild», fasste Miguel Rodríguez zusammen. «Hoffentlich ist der Mann, den wir suchen, nicht tatsächlich ein Phantom.»
Samstag, 2. November, 12:36 Uhr
Liz erschrak, als sie die Tür zum
Weitere Kostenlose Bücher