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Schwesterlein muss sterben

Schwesterlein muss sterben

Titel: Schwesterlein muss sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Freda Wolff
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erzählen würde! Er würde einfach nur sagen: »Klar, ich weiß, dass du das kannst. Du musst es mir nicht beweisen, ich glaube dir auch so. Weil du meine kleine Schwester bist und es nichts gibt, was ich dir nicht glauben würde.«
    Er hatte sie ausgelacht! Sie hatte behauptet, dass sie unter dem Ruderboot hin und zurück tauchen könnte, ohne zwischendurch Luft holen zu müssen. Er hatte gelacht und sich über sie lustig gemacht.
    »Du kriegst ja noch nicht mal deinen kleinen Hintern richtig unter Wasser beim Tauchen! Wenn du tauchst, sieht es aus wie eine Qualle, die sich sonnen will.«
    Sie hatte ihn mit funkelnden Augen angeblitzt. War ohne ein Wort ins Wasser gesprungen und getaucht. Und war nicht wieder hochgekommen.
    Er hatte noch gedacht, dass sie ihm vielleicht Angst machen wollte. Dass sie plötzlich vor oder hinter dem Boot auftauchen würde, während er sie an den Seiten suchte. Erst als er das Kratzen und die dumpfen Schläge unter dem Rumpf hörte, hatte er reagiert und war hinter ihr hergesprungen. Aber es war schon zu spät gewesen. Er hatte sie nicht mehr zu fassen gekriegt, die Strömung war so stark, dass er es selber kaum geschafft hatte, sich wieder aus dem Sog zu befreien …
    Als er zu sich kam, wusste er für einen Moment nicht, wo er war. Er richtete sich halb auf und spuckte einen Schwall Wasser aus. Die Psycho-Schlampe war noch da, aber sie wurde von einem Mann mit einem grauen Zopf festgehalten, der die Arme um sie gelegt hatte und sie an sich drückte. Der Steg wimmelte von Polizisten, auch auf der Wiese und vor der Hütte waren Beamte in Uniform.
    Die Psycho-Schlampe schluchzte und wimmerte. Als der Mann sie vorsichtig zu Boden gleiten ließ, begann sie, sich im Sitzen mit dem Oberkörper vor und zurück zu wiegen. Vor und zurück. Vor und zurück.
    Der Mann ließ sie allein und kam auf ihn zu. Jetzt erkannte er ihn. Es war der Bulle, den er auf dem Zeitungsfoto gesehen hatte!
    Er krümmte sich wieder zusammen und hielt schützend die Arme vor sein Gesicht. »Ich habe versucht, sie zu retten, wirklich!«, stieß er keuchend hervor. »Ich habe sie nicht ins Wasser gestoßen, sie ist selber gesprungen, sie wollte mir zeigen, wie gut sie tauchen kann. Aber es hat mir keiner geglaubt. Sie haben alle gedacht, ich wäre es gewesen. Deshalb mussteich zurück ins Heim! Der Psychologe hat gesagt, ich wäre gestört, ich hätte es nicht ertragen können, dass sie … ich wäre eifersüchtig auf meine Schwester gewesen, aber ich habe sie geliebt, ich hätte alles für sie getan! Ich wollte nicht, dass sie ertrinkt …«
    Der Bulle packte ihn hart am Arm.
    »Hör auf damit, es ist gut jetzt! Es geht nicht um deine Schwester. Wo ist Julia? Wo ist Marie? Was hast du mit ihnen gemacht?«
    »Ich weiß es nicht. Ich wollte das nicht. Ich … habe nie vorgehabt, Julia umzubringen. Ich wollte nur …«
    »Was heißt das? Ist sie noch am Leben?«
    Er drehte den Kopf zur Seite. Es war egal, was er sagte, der Bulle würde ihm sowieso nicht glauben.

NACHSPIEL
    Julia wusste, dass er sie keinen Moment aus den Augen ließ. Sie konnte seinen Blick in ihrem Rücken spüren. Und sie hörte ihn atmen. Laut, mit offenem Mund. Aber nicht wie jemand, der zu schnell gelaufen ist, dachte sie, sondern der erregt ist. Wie beim Sex.
    Sie stand vollkommen regungslos und starrte wie blind in die offene Grube vor ihr. Als würde sie nicht begreifen, was sie sah. Als wollte sie sich selber schützen, obwohl ihr Verstand schon längst jede grausame Einzelheit registriert hatte.
    Aber sie hatte es bereits geahnt, als sie noch hinter ihm auf dem Moped saß. Als sie sich Stück für Stück zusammengereimt hatte, wer er war. Als sie durch Zufall das Tattoo auf seinem Handgelenk gesehen hatte. Und während sie hinter ihm her auf dem Trampelpfad zum Meer stolperte, war aus ihrer Ahnung Gewissheit geworden. Es war alles längst vorbei, sie würde ihre Freundin nicht mehr retten können. Und es ging jetzt um ihr eigenes Leben!
    Sie verfluchte sich im Stillen für die Idee, das Handy ausgeschaltet zu haben, um für Merette nicht erreichbar zu sein. Und natürlich hatte er dann prompt das Signal gehört, mit dem es sich ins Netz einwählte. Fast mitleidig hatte er sich zu Julia umgedreht und ihr das Handy aus der Hand gerissen.
    Während er es mit einem Stein in Stücke schlug, hatte sie es gerade noch geschafft, das Pfefferspray aus der Handtasche zu holen und in ihre Jeans zu schieben. Warum sie es nicht benutzt und wenigstens den

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