Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schwestern der Dunkelheit

Schwestern der Dunkelheit

Titel: Schwestern der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa J. Smith
Vom Netzwerk:
du erzählst mir diese Geschichte, damit es mir besser  geht? Ich habe noch nie so eine lausige Geschichte gehört.« Ihr Kinn begann zu zittern.
  Thea vergaß, dass sie es mit einem menschlichen Kind zu tun hatte. Sie streckte die Arme aus wie bei dem Welpen Bud, wie sie es bei jeder leidenden Kreatur tun würde - und Rosamund stürzte sich hinein.
  »Nein, nein«, sagte Thea und wiegte das Kind ängstlich in den Armen. »Verstehst du, der Punkt ist, dass Hellewises Leute weiterlebten, und dass sie frei waren. Das mag zwar ziemlich unwichtig erscheinen, weil sie ein so kleiner Stamm waren. Aber dieser kleine Stamm wurde größer und größer, und sie blieben frei, und alle Hexen auf der Welt stammen von ihnen ab, und sie alle erinnern sich an Hellewise und ehren sie. Es ist eine Geschichte, die jede Mutter ihren Töchtern erzählt.«
  Rosamunds Atem ging für einen Moment unregelmäßig. »Was ist mit ihren Söhnen?«
  »Nun, auch ihren Söhnen. Wenn ich >Töchter< sage, meine ich >Söhne und Töchter<. Es ist einfach kürzer.«
  Ein braunes Auge blickte unter dem zotteligen Haarmopp empor. »So wie >er< und >ihn< auch >sie< und >ihr< bedeuten soll?«
  »Ja.« Thea dachte nach. »Ich schätze, dass keine der beiden Varianten die bessere ist.« Sie zuckte die Achseln. »Das Wichtige ist, dass der Mut einer einzigen Frau uns - ihnen - allen die Freiheit geschenkt hat.«
  »Hör mal.« Rosamund richtete sich auf und starrte durch ihr Haar. »Nimmst du mich bloß auf den Arm, oder ist das eine wahre Geschichte? Denn mal ganz ehrlich: Du kommst mir wie eine Hexe vor.«
  »Das wollte ich auch gerade sagen«, erklang eine heitere Stimme hinter Thea.
  Thea riss den Kopf herum. Die Tür war einen Spalt geöffnet worden, und eine Frau stand da. Sie war hochgewachsen und schlank, mit einer kleinen Brille und langem, seidigem, braunem Haar. Ihr Gesichtsausdruck erinnerte Thea an einen Ausdruck, den Erik manchmal zeigte, einen Ausdruck sehr süßer Verwirrung, als sei ihm plötzlich eins der überwältigenden Mysterien des Lebens bewusst geworden.
  Aber das spielte keine Rolle. Was zählte, war, dass sie eine Fremde war. Eine Outsiderin.
  Ein Mensch.
  Thea hatte die Geheimnisse der Nachtwelt ausgeplaudert, die Geschichte der Hexen, und ein menschlicher Erwachsener hatte zugehört.
  Plötzlich waren ihre Hände und Füße taub. Der goldene Nebel verschwand, und sie blieb in einer kalten, grauen Realität zurück.
  »Es tut mir leid«, sagte die menschliche Frau, aber für Thea schien die Stimme aus weiter Entfernung zu kommen. »Ich wollte dich nicht erschrecken. Ich habe nur einen Witz gemacht. Die Geschichte hat mir wirklich gut gefallen - so eine Art moderne Legende für Kinder, oder?«
  Theas Augen fokussierten sich auf einen anderen Menschen hinter der Frau. Erik. Er hatte ebenfalls zugehört.
  »Mom macht gern Witze«, sagte er nervös. In seinen Augen stand ein entschuldigender Ausdruck - ein intensiver Ausdruck. Als versuche er, eine Verbindung mit Thea herzustellen.
  Aber Thea wollte keine Verbindung zu irgendjemandem. Sie konnte keine Verbindung haben, nicht mit diesen Leuten. Sie war umringt von Menschen, gefangen in einem ihrer Häuser. Sie fühlte sich wie die Klapperschlange, umzingelt von großen Kreaturen mit Stöcken.
  Schiere, rohe Panik überwältigte sie.
  »Du solltest Schriftstellerin werden, weißt du?«, bemerkte die menschliche Frau. »So viel Kreativität ...« Sie machte einen Schritt in den Raum hinein.
  Thea stand auf und ließ Rosamund los. Sie verfolgten sie - sogar die Wände schienen sich jetzt um sie zu schließen. Sie waren fremdartig, grausam, sadistisch, böse, quälend, nicht ihresgleichen.
  Sie waren die Inquisition, und sie wussten von ihr. Sie würden sie auf die Straße werfen und »Hexe!« rufen.
  Thea rannte davon.
  Sie schlüpfte zwischen Erik und seiner Mutter hindurch wie eine erschrockene Katze, ohne dabei einen von ihnen zu berühren. Sie lief den Flur entlang, durchs Wohnzimmer und zur Tür hinaus.
  Draußen war der Himmel bewölkt, und es wurde langsam dunkel. Thea blieb gerade so lange stehen, bis sie sich orientiert hatte, dann ging sie nach Westen, so schnell sie konnte. Ihr Herz hämmerte und sagte ihr, dass sie schneller gehen solle.
   Geh weg, geh weg. Geh zur Erde. Finde dein Zuhause.
  Sie bog um einige Ecken und lief im Zickzack wie ein Fuchs, der von Hunden gejagt wurde.
  Sie war zehn Minuten von zu Hause entfernt,

Weitere Kostenlose Bücher