Schwestern der Dunkelheit
der Rückbank des Jeeps drängte Rosamund sich an Thea und drückte ihr die Hand.
»Sei nicht böse«, zischte sie so grimmig wie eh und je. »Bist du böse? Es tut mir leid. Soll ich jemanden für dich töten?«
»Ich bin nicht böse«, flüsterte Thea und schaute über Rosamunds zerzausten Kopf hinweg. »Mach dir deswegen keine Sorgen.«
Sie war in die Strategie eines jeden gefangenen Tiers verfallen. Warte auf deine Chance. Wehre dich nicht, bis du eine echte Gelegenheit siehst, um wegzukommen.
»Wir sehen uns morgen«, sagte Erik, als sie aus dem Jeep stieg. Seine Stimme war beinahe ein Flehen.
»Wir sehen uns morgen«, bestätigte Thea. Noch war nicht der richtige Zeitpunkt, um zu verschwinden. Sie winkte, bis der Jeep außer Sicht war.
Dann war der Zeitpunkt gekommen. Sie rannte ins Haus, die Treppe hinauf und direkt zu Blaise.
»Einen Moment«, sagte Blaise. »Noch mal zurück. Du sagst also, sie hätten dir nichts von alldem geglaubt.«
»Richtig. Eriks Mom denkt schlimmstenfalls, dass Gran nicht mehr alle Tassen im Schrank hat. Aber es war eine knappe Sache. Für eine Weile dachte ich, sie würde Gran vielleicht für unzurechnungsfähig erklären lassen wollen oder so was.«
Sie saßen auf dem Boden vor Blaises Bett, wo Thea zusammengebrochen war. Blaise aß mit einer Hand Popcorn und kritzelte mit der anderen auf einem gelben Notizblock und hörte die ganze Zeit über aufmerksam zu.
Denn das war die Sache mit Blaise. Sie mochte eitel und egozentrisch sein, streitsüchtig, hitzig, faul, unfreundlich zu Menschen und ganz allgemein schwierig im Zusammenleben, aber sie stand zur Familie. Sie war eine Hexe.
Es tut mir leid, dass ich gesagt habe, du wärst ein klein wenig wie Maya, dachte Thea.
»Es ist meine Schuld«, sagte sie laut.
»Ja, das stimmt«, entgegnete Blaise und kritzelte weiter.
»Ich hätte einfach von Anfang an eine Möglichkeit finden sollen, um ihn auf Abstand zu halten.«
Aber natürlich lag es an Blaise, dass sie das nicht getan hatte.
Sie hatte gedacht, dass Erik mit ihr sicherer sein würde als mit Blaise. Sie hatte gedacht, dass die Dinge sich irgendwie ... irgendwie ...
Dass die Dinge sich regeln würden. Das war es. Da war immer eine geheime, verborgene Hoffnung gewesen, dass es eine Zukunft mit Erik geben könnte. Irgendein kleines Versteck, in dem sie die Hoffnung gehegt hatte, dass die Dinge gut werden könnten.
Aber jetzt musste sie sich der Realität stellen.
Es gab keine Zukunft.
Das Einzige, was sie Erik geben konnte, war der Tod. Und das war auch alles, was er ihr geben konnte. Das hatte sie begriffen, alles in einer einzigen schrecklichen, blitzartigen Einsicht, als sie Eriks Mutter in Rosamunds Zimmer sah.
Es gab keine Chance für ihr Zusammensein, ohne entdeckt zu werden. Selbst wenn sie davonliefen, würden die Geschöpfe der Nacht sie finden, irgendwann, irgendwo. Man würde sie vor den versammelten Rat der Nachtwelt stellen, die Vampire und Hexenältesten. Und dann würde dem Gesetz Genüge getan werden ...
Thea hatte noch nie eine Hinrichtung miterlebt, aber sie hatte davon gehört. Und wenn die Harmans versuchten, den Rat daran zu hindern, sie zu töten, würde das einen Krieg auslösen. Hexen gegen Vampire. Vielleicht sogar Hexen gegen Hexen. Es konnte das Ende von allem bedeuten.
»Also sieht es nicht so aus, als müssten wir die Mutter töten«, sagte Blaise und schaute stirnrunzelnd auf ihre Kritzeleien hinab. »Andererseits, wenn wir die Kinder töten, wird die Mutter garantiert unglücklich sein und könnte eine Verbindung herstellen. Um sicherzugehen ...«
»Wir können keinen von ihnen töten«, unterbrach Thea sie. Ihr Tonfall war gedämpft, aber bestimmt.
»Ich meine nicht, dass wir es selbst tun. Ich werde einen unserer freundlichen Vampircousins anrufen. Ash - er befindet sich angeblich irgendwo an der Westküste, nicht wahr? Oder auch Quinn, er mag so was. Ein einziger schneller Biss, ausbluten lassen ...«
»Blaise, ich werde nicht zulassen, dass Vampire Erik töten. Oder irgendjemanden«, fügte sie hinzu, als Blaise den Mund öffnete. »Es ist nicht notwendig. Niemand braucht zu sterben.«
»Dann hast du also eine bessere Idee?«
Thea betrachtete eine Statue der Isis, der Königin der ägyptischen Göttinnen, auf dem Schreibtisch. »Ich ... ich weiß es nicht. Ich dachte an den Kelch der Lethe. Damit sie mich völlig vergessen. Aber es könnte verdächtig wirken - diese ganze
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