Schwestern der Dunkelheit
Familie mit einer Gedächtnislücke. Und unsere Mitschüler würden sich fragen, warum Erik sich nicht mehr an meinen Namen erinnert.«
»Stimmt.«
Thea starrte den Mond zwischen Isis’ goldenen Hörnern an. Ihr Gehirn, das so kalt und logisch funktioniert und ihr geholfen hatte zu überleben, stellte sich jetzt quer. Es musste eine Möglichkeit geben, Erik und seine Familie zu retten - oder welchen Sinn hätte es sonst, dass sie selbst weiterlebte?
Dann sah sie es.
»Ich weiß, was ich für das Beste halte«, sagte sie langsam, weil es wie ein körperlicher Schmerz war. »Das Beste wäre, wenn Erik aufhören würde, mich gern zu haben. Wenn er sich in eine andere verlieben würde.«
Blaise lehnte sich zurück. Sie rührte mit ihren langen, eleganten Nägeln im Popcorn. Sie aß etwas davon.
»Ich bewundere dich«, erwiderte sie. »Sehr vernünftig.«
»Nicht in dich«, stieß Thea mit zusammengebissenen Zähnen hervor. »Das verstehst du doch, oder? In einen Menschen. Wenn er sich in ein anderes Mädchen verliebt, wird er mich ohne jede Lethe vergessen. Niemand wird verschwinden oder Amnesie haben; niemand wird Verdacht schöpfen.«
»In Ordnung. Obwohl es mir gefallen hätte, ihn auszuprobieren. Er hat einen starken Willen - ich denke, er hätte mir für eine Weile widerstanden. Wäre eine Herausforderung gewesen.«
Thea ignorierte die Worte ihrer Cousine. »Ich habe immer noch etwas von seinem Blut. Die Frage ist, ob du noch etwas hast, das du bis jetzt zurückgehalten hattest, irgendeinen Liebeszauber, der ihn völlig aus den Socken hauen wird?«
Blaise aß noch ein Stück Popcorn. »Natürlich habe ich etwas.« Sie kniff die grauen Augen zusammen. »Leider ist es natürlich auch ein verbotener Zauber.«
»Dachte ich mir. Blaise, ich bin bereits die Prinzessin der verbotenen Zauber. Da kommt es auf einen mehr auch nicht an. Aber ich werde die tatsächliche Arbeit erledigen, ich will dich nicht in Schwierigkeiten bringen.«
»Das wird dir nicht gefallen. Du brauchst dazu den Bezoar-Stein aus dem Magen eines Steinbocks - den ich zufällig aufgesammelt habe, als wir bei Tante Gerdeth waren.«
Steinböcke waren eine gefährdete Spezies. Aber dieser war bereits tot. »Ich werde die Arbeit erledigen«, wiederholte Thea halsstarrig.
»Er bedeutet dir wirklich etwas, hm?«
»Ja«, flüsterte Thea. »Ich denke immer noch, dass wir Seelengefährten sind. Aber ...«
Würdest du alles opfern?
»Ich will nicht der Grund dafür sein, dass er stirbt. Oder der Grund, dass zwischen den Harmans und dem Rest der Nachtwelt ein Krieg ausbricht. Und wenn ich ihn aufgeben muss, würde ich es lieber selbst tun und dafür sorgen, dass er bei jemand anderem, der ihn liebt, sicher ist.«
»Hast du dich schon für jemanden entschieden?«
»Ihr Name ist Pilar.« Thea sah ihre Cousine plötzlich an. »Blaise? Als Luke dich fragte, was du wolltest, und du geantwortet hast, nichts, was du haben könntest … Was hast du damit gemeint?«
Blaise legte den Kopf in den Nacken und betrachtete die Decke. Dann senkte sie den Blick wieder. »Will denn überhaupt irgendjemand das haben, was er haben kann? Wirklich?«
»Ich ... weiß es nicht.«
Blaise schlang ihre Arme um die Knie und stützte das Kinn darauf. »Sobald ich etwas haben kann, will ich es eigentlich nicht mehr. Also gibt es immer irgendetwas da draußen, das wir wollen und nicht bekommen können ... Und vielleicht ist das gut so.«
Für Thea klang das nicht gut. Es klang wie eine dieser schrecklichen Lektionen irgendeines Lebensratgebers, die angeblich dazu dienten, einen reifer zu machen.
»Lass uns den Zauber wirken«, sagte sie.
Kapitel 13
»Weißt du, er hat dich wahrscheinlich sowieso nur wegen der Yemonja geliebt«, bemerkte Blaise.
Thea schaute von ihrem Platz in dem verlassenen Chemielabor auf.
Es war Pause, und dies war der privateste Ort in der Schule, den sie hatten finden können. »Danke, Blaise. Das habe ich jetzt gebraucht.«
Aber vielleicht stimmte es. Sie hatte beinahe vergessen, dass sie einen Zauber benutzt hatte, um ihn für sie zu begeistern.
Das sollte einen Unterschied machen, sagte sie sich. Wenn alles künstlich war, sollte ich es nicht einmal vermissen.
Sie fühlte sich trotzdem wie in Eis gehüllt.
»Hast du ihn bekommen?«
»Klar.« Blaise warf einen Ring auf den hohen Labortisch. »Ich habe sie gefragt, ob ich ihn mir ansehen dürfe, und dann so getan, als hätte
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