Schwestern der Nacht
sichergehen will, ob es sich um die richtige Person handelt, erkundigt er sich normalerweise nicht nach deren Stimme ... er hält sich an den Beruf ... Herr Soundso von der und der Firma zum Beispiel. Oder Herr Honda aus Amerika oder Herr Honda aus England. Diese Frau arbeitete für eine Fluggesellschaft. Es handelte sich also nicht um eine Routineanfrage, sondern um spezielle, vielleicht detektivische Nachforschungen. Er dachte einen Moment nach und erinnerte sich dann an einen Orientalen mit tiefer Stimme; ein Mann, der gewöhnlich Englisch sprach.
»Ja, ich glaube, er hat eine tiefe Stimme. Wir haben hier so viele Gäste, wissen Sie...«
»Aber er wohnt ganz bestimmt bei Ihnen, ja?« Der Portier glaubte Erleichterung in ihrer Stimme zu hören, als ob sie den Mann nach vielen Schwierigkeiten endlich aufgetrieben hätte. Sie fuhr fort: »Wissen Sie, wie lange er bleibt?«
»Warten Sie eine Sekunde, ich sehe mal nach.«
Er legte den Hörer zur Seite und überprüfte die Zimmerreservierung für 305. Wie sich herausstellte, war Ichiro Honda Dauergast und wohnte schon seit drei Monaten in diesem Hotel. >Vielleicht springt bei der Sache für mich ja was raus<, dachte Oba; er sah sich vorsichtig um und legte den Hörer wieder ans Ohr.
»Hallo? Herr Honda ist Dauergast. Aber vielleicht sollte ich Ihnen die gewünschten Informationen lieber persönlich geben. Ich könnte Sie irgendwo treffen.«
»Wie meinen Sie das?« Die Frauenstimme wurde schlagartig kalt, als wäre sie plötzlich auf der Hut.
»Na ja, ich hab bloß gedacht... Ich dachte, wenn sie wollen, könnte ich vielleicht... ich meine, ich wollte nur.. .«‚ stammelte er und wischte sich den kalten Schweiß von der Stirn.
»Ich wollte lediglich wissen, wie lange Honda bleibt.« Die Stimme blieb unerbittlich. Er versuchte vergeblich, sich für das Mißverständnis zu entschuldigen. Die Frau wurde immer ernster. Jetzt ließ sie sogar schon das >Herr< vor Hondas Namen weg und sprach von ihm wie von einem Verbrecher.
»Nun ja, über seine Pläne bin ich wirklich nicht im Bilde. Ich weiß nur, daß er schon drei Monate hier wohnt. Wenn Sie morgen wieder anrufen, könnten wir uns inzwischen nach seinen weiteren Vorhaben erkundigen.«
»Das wird nicht nötig sein«, schnappte sie, doch er konnte hinter ihrem arroganten Ton eine Spur Unsicherheit hören. Sie war ganz bestimmt von einer Detektei oder so. Vielleicht hatte sie ein Konkurrent oder zukünftiger Kunde auf Honda angesetzt.
»Wenn es Ihnen lieber ist, könnte ich das auch herausfinden, ohne den Gast selber zu belästigen. Was halten Sie davon?«
Da er keine Antwort bekam, fuhr er fort: »Ich bin Oba, Portier. Ich habe im Lauf der Jahre schon manche Ermittlung unterstützt, müssen Sie wissen; normalerweise erhalte ich für meine Dienste freilich eine kleine Entschädigung. Falls Sie interessiert sind: Ich habe heute um acht Feierabend und werde dann in dem Café gleich gegenüber vom Hotel auf Sie warten — es heißt >Konto<; fragen Sie an der Theke nach mir, man kennt mich. Wenn Sie Interesse haben, kommen Sie hin! « Dann legte er hastig auf, bevor sie noch etwas erwidern konnte — doch sie war noch schneller und knallte den Hörer den Bruchteil einer Sekunde vor ihm auf die Gabel. Die Verhandlungen waren gelaufen, aber würde sie kommen?
»Verlogene Hexe!« schimpfte er. Dann hob er den Kopf und sah einen ausländischen Gast auf die Rezeption zusteuern. Er setzte sein professionelles Lächeln auf und begrüßte den Kunden auf englisch.
Bis Dienstschluss hatte er durch einige Erkundigungen bei seinen Kollegen und den Zimmerpagen ein paar interessante Informationen über Ichiro Honda gesammelt.
Dieser Hotelbewohner hatte ganz bestimmt eine tiefe Stimme. Obwohl Dauergast, zahlte er seine Rechnungen immer bar. Er hielt sich nur zum Schlafen im Zimmer auf und kam gewöhnlich erst spät nachts. Er sprach fließend Englisch; obwohl Name und Aussehen japanisch waren, gebrauchte er die Landessprache nur sehr selten, unterhielt sich aber oft mit Ausländern im Foyer oder im Hotelcafé.
Diese Informationen sollten der Frau schon etwas wert sein, fand Oba. Außerdem gab es noch einen verdächtigen Umstand: Am Wochenende verschwand Mr. Honda immer. Oba ging ins Café auf der anderen Straßenseite und wartete.
Um 20.45 Uhr wurde er ans Telefon gerufen. Er vernahm dieselbe Stimme, die ihn schon früher an diesem Tag traktiert hatte.
»Ich habe Ihre Angaben überprüft. Ihr Herr Honda ist nicht der, nach
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