Schwestern des Mondes 02 - Die Katze-09.06.13
lang. Der Duft des Blutes war hier sehr stark, und meine Instinkte befahlen mir: »Folge ihm, folge ihm!«
Die Spalte schien zu einer Höhle zu führen.
Ich zögerte und versuchte abzuschätzen, wie gefährlich das für mich sein könnte. Dann tapste ich langsam vorwärts, alle Sinne offen und gespannt. Als ich mich der Öffnung näherte, starrten hundert rotglühende Augen mich aus den Bäumen zu beiden Seiten an. Ich hielt inne, eine Pfote noch in der Luft. Da kam etwas aus der Höhle.
Ein Mann erschien. Er sah menschlich aus, und doch spürte ich bis in die Knochen, dass dies kein gewöhnlicher Mann war. Er war groß und schlaksig und hatte glimmende Augen, und als er vortrat, war seine Bewegung eher ein Huschen und Krabbeln. Als er sprach, in unverständlichen Klick- und Zischlauten, löste seine Stimme einen Alarm in mir aus, der mich warnte: Böse. Dieser Mann ist böse.
Die roten Augen in den Bäumen rückten vor, sie blinkten und leuchteten wie Glühwürmchen. Ich war froh, dass ich mich im Astralraum befand, wich aber trotzdem unwillkürlich einen Schritt zurück – doch da blickte der Mann in meine Richtung. Gemächlich lächelnd kam er auf mich zu.
O Scheiße! Er konnte mich sehen! Was zum Teufel sollte ich jetzt tun?
»Wir haben Besuch«, sagte er, und diesmal klang seine Stimme viel zu laut.
Verdammt, er befand sich nicht vollständig auf der physischen Ebene; er war teilweise im Astralraum! Ich wich noch weiter zurück und fragte mich, ob ich ihn besiegen könnte, doch in diesem Moment sah ich die ersten von scheinbar Hunderten langer, dürrer Beine aus dem Wald kommen, und ich wusste: Was immer das sein mochte, auch sie befanden sich auf der Astralebene. Der Geistführer hatte mich gewarnt, aber ich hatte die Warnung nicht verstanden.
»Wie wäre es mit einem Festmahl, Jungs?«, sagte der Mann, und plötzlich entstand Bewegung, als mindestens ein Dutzend schattenhafter Gestalten zwischen den Tannen hervortraten. Ihre Leiber hatten die Form dicker brauner Spinnen, aber ihre Oberkörper waren die von Männern – dünn und kränklich. Ihre Gliederbeine krümmten sich unheilverkündend, und sie rückten vor.
Ich stieß ein Brüllen aus, fuhr herum und raste den Weg zurück, den ich gekommen war. Vor mir erschien der Geistführer, und er bedeutete mir weiterzulaufen; dann ließ er hinter mir ein gleißendes Licht aufflammen. Ich hetzte den Pfad entlang, so schnell meine vier Beine mich trugen. Die Schreie hinter mir sagten mir, dass die Lightshow den Spinnen nicht sonderlich gefiel, doch ich blieb nicht stehen, um mich nach ihnen umzuschauen. Ich rannte, bis ich das Schild mit der goldenen Rute darüber erreicht hatte. Keuchend und schliddernd kam ich zum Stehen und sah mich um.
Nichts. Noch nicht. Aber meine Intuition sagte mir, dass mir nicht mehr viel Zeit blieb, bis diese Kreaturen mich einholen würden. Als ich zum Wasserfall zurücklief, bebte der Boden unter mir, und der Himmel färbte sich pechschwarz.
∗∗∗ »Delilah! Delilah! Wach auf, Süße. Delilah?«
Chases Stimme drang durch den Nebel, der meine Gedanken als Geiseln genommen hatte, und ich versuchte mühsam, die Augen zu öffnen. Ich blinzelte und sah sein Gesicht über mir; hinter ihm brannte Licht. Ich kämpfte mit der Decke, und er half mir und stützte mich, als ich mich aufrappelte.
»Geht es dir gut? Das muss ja ein höllischer Alptraum gewesen sein.« Er beugte sich an mir vorbei und griff nach der Wasserflasche, die ich immer auf dem Nachttisch stehen hatte. »Hier, trink etwas.«
Ich kippte die kühle Flüssigkeit gierig hinunter, denn meine Kehle fühlte sich heiß und trocken an. Mein Herz hörte allmählich auf zu rasen, und ich schüttelte den Kopf. Die Ereignisse des Traums waren verschwommen, aber noch da.
»Große Mutter Bast, das war übel.« Ich wischte mir den Mund ab und rutschte rückwärts, bis ich mich ans Kopfende lehnen konnte. Dann zog ich die Beine an, schlang die Arme darum und legte das Kinn auf die Knie.
»Was hast du denn geträumt, wenn ich fragen darf?« Chase hüllte uns in die Decke, damit wir nicht erfroren – inzwischen war die Temperatur in meinem Schlafzimmer auf etwa zwei Grad über Eiszapfen gesunken –, schlang den Arm um meine Schultern und streichelte sanft meinen Rücken.
»Ich glaube, ich weiß jetzt, wo wir nach dem JägermondClan suchen müssen«, sagte ich und versuchte, den Traum zu verstehen. Im Traum war ich ein schwarzer Panther gewesen, kein Tigerkätzchen.
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