Schwestern des Mondes 07 - Hexenzorn-09.06.13
von Großmutter Kojote brachte sie zum Schweigen. Morio saß still mit geschlossenen Augen da. Ich griff in den Beutel, und die Fingerknochen darin klapperten und vibrierten an meiner Haut. Ich hatte schon zuvor einige dieser Knochen gezogen und wusste, was mich erwartete. Ich nahm den ersten heraus und legte ihn vor Großmutter Kojote auf den Tisch. Er stammte von einem Menschen, das erkannte ich gleich.
Großmutter Kojote nahm ihn auf. Ihre Finger glitten geschickt über die glatte Oberfläche. Sie riss den Kopf hoch und starrte mich an, und ihre Augen leuchteten im Dämmerlicht der unterirdischen Kammer.
»Sie lügen nicht. Die Keraastar-Ritter werden sich erheben, und sie werden an den Portalen stehen. Nicht so, wie die Königinnen vielleicht hoffen, doch ihr Schicksal ist im Gange und kann nicht mehr aufgehalten werden. Sie müssen die Siegel bekommen, um gedeihen zu können, und komme, was da wolle - du musst ihnen geben, was sie verlangen.«
»Aber warum Menschen und Werwesen? Weshalb ausgerechnet diese drei zuerst?« Morio hielt die Hände flach auf der Tischplatte, doch ich sah, dass sein Blick auf den Fingerknochen geheftet war.
»Was man dir gesagt ist, war richtig, doch nur ein kleiner Ausschnitt des Ganzen. Nicht einmal Feenköniginnen haben eine Vorstellung von dem Eisberg, auf den sie da gestoßen sind. Doch einmal in Gang gesetzt, ist es nicht aufzuhalten. Die drei Männer tragen bereits drei der Siegel ...«
»Wir haben sie nicht bei ihnen gesehen«, sagte ich. »Oder sie gespürt.«
»Sie besitzen sie jetzt und werden unterwiesen. Aber nicht von den Magi, ganz gleich, was die Königin denken mag. Die Siegel verwandeln sie in etwas Neues, etwas anderes. Mehr kann ich dir nicht sagen. Du darfst diesen Plan nicht vereiteln, sonst zerstörst du das Gleichgewicht und verlierst deinen eigenen Platz im Netz, das wir weben.«
Großartig. Wir sollten Asteria also die Siegel geben, obwohl wir damit eine gewaltige Änderung in der Zukunft anstoßen würden. Ich seufzte tief. »Danke sehr.«
»Den nächsten. Die Feenköniginnen der Erdwelt. Wähle einen Knochen.«
Ich zog den nächsten, und er war länger und dünner, der Knochen eines ... Während ich ihn in der Hand hielt, trat mir plötzlich ein Bild vor Augen, und ich schnappte nach Luft. Eine Sylphe. Dieser Fingerknochen hatte zu einem Luftgeist gehört. Langsam legte ich ihn vor Großmutter Kojote hin.
Sie hob ihn hoch und lachte leise. »Aha, ich verstehe. Da kann ich dir kaum eine Antwort geben, Camille, denn das meiste musst du dabei selbst lernen. Aber bereite dich darauf vor, Aeval für einige Zeit deine Königin zu nennen.«
»Was? Nur ich, oder meine Schwestern auch?« Das konnte nicht ihr Ernst sein. Wir sollten Königin Asteria die Geistsiegel aushändigen, aber gleichzeitig zu Aeval überlaufen? Das klang völlig verrückt. Zumindest nach einem todsicheren Rezept, sich einen mächtigen Tritt in den Hintern abzuholen.
»Du, junge Priesterin, wirst bald keine andere Wahl mehr haben. Glaub mir, es geschehen Dinge, zu deren Lösung Arbeit in beiden Welten erforderlich ist. Du wirst es wissen, wenn die Zeit gekommen ist.« Sie legte den Knochen beiseite und wies auf den Beutel.
Stumm zog ich den dritten Finger, und diesen erkannte ich. Scheiße, das war der Finger, den ich Bad Ass Luke abgehackt hatte, nachdem wir ihn erledigt hatten. Er war außerdem der erste Preis gewesen, den Großmutter Kojote von mir verlangt hatte. Ich hielt ihn hoch, damit Delilah und Morio ihn auch sehen konnten, und formte stumm den Namen des Dämons mit den Lippen. Dann reichte ich ihn ihr.
Großmutter Kojote nahm den Knochen und stieß ein langgezogenes Seufzen aus. Gleich darauf blickte sie zu mir auf. »Es herrscht Zwietracht in den Reichen. Die Knochenbrecherin versucht sich aus gutem Grund mit euch zu verbinden. Das hat alles - und nichts - mit Schattenschwinge zu tun, dessen Aufmerksamkeit augenblicklich anderen Dingen gilt. Lasst euch von ihr nicht täuschen. Sie hat ein anderes Ziel im Auge, als ihr glaubt. Wenn ihr jetzt zuschlagt, unmittelbar nach ihrem Angriff, habt ihr eine Chance, das Lager der Lamie auszuheben. Sie rechnet mit Angst. Zeigt Mut und Angriffslust.«
»Also ... sollen wir sie angreifen. Obwohl mir das tollkühn erscheint. Sollte ich Aeval um Hilfe bitten?«
Großmutter Kojote ließ die Knochen zurück in den Beutel gleiten und zog ihn zu. »Nein. Du wirst ihren Gefallen später noch brauchen. Du schaffst das auch allein, wenn du
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