Schwestern des Mondes 07 - Hexenzorn-09.06.13
als Feddrah-Dahns abrupt anhielt. Mit dem Tageslicht hatten auch die Farben des Waldes nachgelassen, ebenso wie meine Kopfschmerzen, und die Grau- und Schwarztöne der Nacht waren eine willkommene Erleichterung. Allmählich konnte ich wieder klar denken, weil der kaleidoskopische Wald mich nicht mehr so verwirrte. Dafür rief jetzt der Mond nach mir und befahl mir, mich bereitzumachen. Die Wilde Jagd würde bald aufbrechen.
»Da vorn biegen wir nach links ab, dann ist es nur noch eine halbe Meile, und wir sind da«, sagte Feddrah-Dahns. »Könnt Ihr ihn fühlen?«
Ich sog tief die Luft ein und atmete langsam aus. Die Nacht besaß eine ganz eigene Schwingung, und die war nicht nur angenehm. Ich fürchtete mich nicht so sehr vor abscheulichen Geschöpfen wie im Finstrinwyrd, doch im Tiefen Tann wohnte große Macht, stark und chaotisch. Sie schwebte überall herum, wie Tautropfen auf einem Rabenflügel, die Champagnerbläschen gleich am dunklen Himmel zu platzen drohten.
Die Mondmutter ging auf, doch ihr volles Rund war nur hin und wieder kurz zwischen den Wolken zu sehen, die über den Wald dahinzogen. Sie strebten gen Westen, vom Wyvernmeer her. Uber Dahnsburg geht ein prächtiges Unwetter nieder, dachte ich. Die Wellen des Ozeans mussten sich hoch an die Klippen werfen.
Und dann kam ein flatternder Wind aus dem Westen, und ich spürte ihn. Oder vielmehr: hörte ihn. Der Umhang um meine Schultern summte tief, und das Horn im Futteral darin vibrierte wie ein silbernes Windspiel oder singendes Glas. Sie antworteten dem Ruf ihres Herrn, zu dessen Körper in einem anderen Leben das Fell wie das Horn gehört hatten.
Seit der Nacht meines Treueschwurs an die Mondmutter hatte ich keinen so starken Lockruf mehr vernommen, und wie in ihrer Magie, so schwangen auch in diesem Ruf die Gluthitze geschmolzenen Silbers und die diamantene Kälte von herbstlichem Raureif. Ich legte den Kopf in den Nacken und betrachtete die Wolken, die sich teilten und das Licht der Mutter auf mich herabscheinen ließen. Ich erglühte in ihrem Feuer und pries ihren Namen. Die Mondmutter behütete mich. Sie hatte ihren höchsten Punkt erreicht, und heute Nacht würde ich mit der Wilden Jagd reiten.
Als wir vorwärtsdrängten und dann nach links auf einen dunklen Pfad abbogen, erfüllte mich die absolute Gewissheit, dass das Schwarze Tier die Mondmutter gut kannte. Sie waren vom selben Schlag und miteinander verbunden auf eine Art, die ich nicht verstand. Doch eine Stimme in meinem Hinterkopf flüsterte mir zu, dass sie verwandt waren.
Ich stieß ein ersticktes Schluchzen aus, als die volle Pracht meiner schönen Herrin durch die Wolken brach, das Waldland in ihr Licht tauchte und unseren Weg beleuchtete. Sie war mein Ein und Alles, so viel größer und mir kostbarer als mein eigenes Leben. Mir schwoll das Herz vor Sehnsucht, als der Befehl, sich ihrer Jagd anzuschließen, immer lauter wurde.
Morio hob den Arm und nahm meine linke Hand, und ich drückte fest seine Finger. Er erwiderte den Druck. Trillian ging rechts von mir neben Iris, und er blickte zu mir auf, die ich hoch auf Feddrah-Dahns' Rücken saß. Die Nacht verbarg sein Gesicht vor mir, doch ich konnte seine Augen glitzern sehen und dankte der Göttin mit einem stillen Gebet dafür, dass er wieder an meiner Seite war.
Noch ein Stückchen weiter. Dann sah ich vor uns Licht in einem weiten Kreis aus Bäumen glimmen. Die Lichtung war von hier aus schwer zu erkennen, doch das Licht drang aus einem Ring hüfthoher Pilze, die ich für Fliegenpilze hielt. Der Pfad, der auf die Lichtung führte, knisterte vor Energie.
Ein Feenring? Nein, dieser war mächtiger als alle solchen Ringe, die mir bisher begegnet waren. Wer diesen Kreis ungebeten betrat, spielte mit seinem Leben.
Eine tiefe Stimme hallte von der Mitte der Lichtung herüber. Sie grollte aus jedem Grashalm, jedem Stein und Kiesel, Busch und Baum.
»Betritt meinen Hain, so du es denn wagst.«
Und in diesem Augenblick wusste ich, dass das Schwarze Tier dort auf uns wartete. Ich glitt von Feddrah-Dahns' Rücken und marschierte, ohne darüber nachzudenken, zwischen den Pilzen hindurch schnurstracks in die Höhle des Einhorns.
Kapitel 15
Als ich den Ring aus Pilzen betrat, verschob sich die Welt unter meinen Füßen schon wieder. Was zum ...?
Ich verlor das Gleichgewicht, taumelte zur Seite und landete hart auf den Knien. Der Boden bäumte sich in Wellen unter mir auf.
Die anderen folgten mir in den Ring, aber meine
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