Schwestern des Mondes 07 - Hexenzorn-09.06.13
die Flüstersand-Wüste über.
Ein Windstoß fegte vorbei, und ich konnte den Regen am Horizont riechen. Die Wolken waren von Dahnsburg aus noch nicht so weit landeinwärts gezogen. Die Luft vom Wald her roch lieblich und moosig, und auf einmal überkam mich das Verlangen, einfach hierzubleiben und alles zu vergessen. Vielleicht ein kleines Haus am Waldrand bauen, einen Laden aufmachen, Smokys Kinder bekommen und so tun, als sei Schattenschwinge nur ein böser Traum. Doch nach ein paar Minuten in dieser Phantasiewelt schüttelte ich den Kopf.
»Wie ist dein Besuch verlaufen?«, fragte ich Iris. »Ich meine, beim Geist des Großen Winterwolfs? Hast du ihn gefunden?« Die anderen gingen uns ein Stück voraus, und ich senkte die Stimme, damit sie mich nicht hören konnten.
Sie warf mir einen gequälten Blick zu. »Ja, habe ich. Ich bin nicht sicher, ob das eine gute Idee war. Später erzähle ich dir alles, aber es sieht nicht gut aus. Ich habe mehrere Möglichkeiten, und keine davon ist vielversprechend oder einfach zu bewältigen.«
In diesem Moment blieb Morio stehen. »Da - direkt vor uns. Wir haben den Weg gleich erreicht.«
»Und wie weit müssen wir durch den Wald gehen, um das Schwarze Einhorn zu treffen?«
Feddrah-Dahns sah mich an und blinzelte mit den langen Wimpern. »Wir werden dort sein, noch ehe der Abend vorüber und der Mond aufgegangen ist. Wir sollten uns noch einen Moment ausruhen, denn sobald wir den Tiefen Tann betreten haben, dürfen wir nicht mehr anhalten. Es kann dort gefährlich für Reisende sein, vor allem nach Sonnenuntergang.«
Ich blickte zum Himmel auf. Die Sonne stand schon tief über dem Horizont. Uns blieb vielleicht noch eine halbe Stunde bis zur Dämmerung, so dass wir auf Morios Lichtzauber angewiesen sein würden.
»Hat jemand etwas zu essen mitgebracht?«, fragte ich, ließ die Tasche von meiner Schulter gleiten und setzte mich auf den Boden, um die Beine auszustrecken. Trillian und Morio taten es mir gleich. Iris öffnete einen ihrer Beutel und holte einen Stapel belegte Brote hervor. Ich lachte. »Ich hätte es mir denken können. Du vergisst doch nie unser leibliches Wohl.«
Während sie das Essen herumreichte - dicke Scheiben Truthahn auf Sauerteigbrot mit frischer Butter, Mandelblättchen und Zimt-Preiselbeer-Sauce -, lächelte sie in sich hinein.
»Gewöhnt euch nur nicht zu sehr daran«, sagte sie. »Wer weiß schon, was die Zukunft bringen wird? Uns allen.«
»Scheiß auf die Zukunft«, sagte Trillian und hielt sein Sandwich in die Höhe. »Das Einzige, dessen wir uns sicher sein können, ist dieser Augenblick, hier und jetzt. Also esst, trinkt und freut euch des Lebens, denn schon morgen ...«
»Nicht«, sagte ich, als mir ein eisiger Schauer über den Rücken lief. »Sag es nicht.«
Er tat mir den Gefallen und ließ den Rest weg. Wir begannen zu essen, während Feddrah-Dahns in der Nähe graste. Ich betrachtete den Waldrand des Tiefen Tanns.
Das Schwarze Tier wartete dort drin auf uns - uralt und unheilvoll. Ich hatte keine Ahnung, was geschehen würde, wenn wir ihm begegneten. Aber unsere Verabredung mit dem Schicksal ließ sich nun mal nicht absagen.
Ich biss in mein Brot und kaute langsam, da flatterte es in der Zeder neben uns, und drei Raben flogen an uns vorbei. Das fühlte sich an wie ein Zeichen, aber was genau es mir sagen sollte, wusste ich nicht. Dabei wünschte ich mir dieses eine Mal wirklich und ernsthaft, in die Zukunft schauen zu können.
Der Diesteltann war mehr als ein verzauberter Wald. Er war eine Verkörperung von Magie. Als wir den Pfad betraten, summte ein tiefer Klang durch den Boden, ein Lied so alt wie die Welt. Ich schloss die Augen und beantwortete den Gruß, der uns im Wald willkommen hieß. Wild war er und zweifellos gefährlich, aber der Tiefe Tann verkörperte das Wesen der Wilden Jagd.
Der Pfad war schmal und zu beiden Seiten von dichtem Unterholz flankiert, das den Fuß der hohen Bäume verbarg. Während wir unter dem Dach aus Asten und Zweigen dahingingen, verstand ich, was Feddrah-Dahns gemeint hatte. Der Finstrinwyrd konnte sich mit dem Diesteltann kaum vergleichen. Dieser Wald bebte vor Energie, der Boden schwankte bei jedem Schritt unter meinen Füßen. Das war keine spürbare Bewegung wie bei einem Erdbeben, aber jedes Mal, wenn ich einen Fuß aufsetzte, schien der Boden Wellen zu schlagen.
Ich biss mir auf die Lippe und fragte mich, wie zum Teufel wir weitergehen sollten, wenn jede Bewegung die Realität
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