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Schwiegertöchter (German Edition)

Schwiegertöchter (German Edition)

Titel: Schwiegertöchter (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joanna Trollope
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Charlotte sagte, sie habe sie auf dem Blumenmarkt in der Nähe ihrer Wohnung gekauft, einem anscheinend berühmten sonntäglichen Blumenmarkt, wo man außerdem das beste Brot der Welt und Kaffee und Cupcakes kaufen konnte, und Charlotte sagte, sie könne im Moment nicht genug kriegen von Cupcakes, und Luke habe ihr eine ganze Schachtel gekauft und außerdem einen Hut im Geschäft nebenan und gesagt, ein Hut würde ihr auch dann noch passen, wenn sie ganz furchtbar auseinanderging. Und dann war Charlotte in Tränen ausgebrochen und hatte ihr erzählt, was Lukes Mutter zu ihr gesagt hatte und wie sie in der Nacht danach nicht hatte schlafen können, und dass sie nicht wisse, ob sie verletzt oder wütend sei.
    Marnie hatte die Dahlien ins Wasser gestellt und dann eine einzelne gelbe Blume auf ein weißes Blatt Papier gelegt, um die außergewöhnlich akkurate Anordnung der Blütenblätter zu studieren. Als sei es eine Origamiarbeit, so vollkommen symmetrisch und dreidimensional war sie. Es wäre eine Herausforderung, sie zu zeichnen, aber auch ein Genuss. Sobald sie die Blüte eingehend betrachtet hätte, würde sie sie in eine kleine bronzene Spezialklammer stecken, die Charlottes Vater mal für sie entworfen und gebastelt hatte, und sie zunächst geduldig und sorgfältig vorzeichnen, bevor sie das eigentliche Bild malte. Sie hatte schon Blumen gemalt, bevor Charlottes Schwestern geboren wurden. Angefangen hatte sie damit, weil Charlottes Vater es vorgezogen hatte, allein für ihren Unterhalt zu sorgen. Er hatte jedoch eingesehen, dass sie eine Beschäftigung unabhängig von Haus und Garten haben musste. Marnie, damals mit Fiona schwanger, die jetzt fünfunddreißig war, hatte sich in einen Kurs für botanisches Zeichnen eingeschrieben. Sie war die Beste ihrer Klasse gewesen, was ihren Mann mit Stolz erfüllte. Und Marnie wusste, auch wenn er es nicht aussprach, dass er sich bestätigt fühlte; denn hätte sie gearbeitet, hätte sie nicht die beste botanische Künstlerin ihrer Gegend werden können. Oder?
    Charlottes Vater, Gregory, war zehn Jahre älter als Marnie gewesen. Gleich nach dem Examen war er in eine Anwaltskanzlei eingetreten und später dort Partner geworden. Er hatte sich unbedingt Kinder gewünscht, aber zu seiner Enttäuschung keine Söhne bekommen. Nach jeder der drei Geburten war er unendlich nett zu Marnie gewesen und hatte ihr ausgesuchte Schmuckstücke zur Erinnerung an die Ereignisse geschenkt. Bei Charlotte waren es Granate gewesen, die Steine, die Marnie wahrscheinlich am allerwenigsten mochte, aber sie wusste, dass er enttäuscht war. Er sagte es niemals direkt, doch er gehörte zu den Männern, die mit ihrem Verhalten und ihrem Ton mehr ausdrückten als mit Worten. Sie wusste, dass er sich nach einem weiteren Gregory sehnte, der seinen Platz einnehmen würde, so wie er den seines Vaters und dieser wiederum den seines Vaters eingenommen hatte: vier Generationen Gregory Webster-Smiths und ihre tiefe, innige Verbundenheit mit den buchenbedeckten Hügeln von Buckinghamshire. Und selbst als er zuletzt schwer krank war und Marnie ihn unermüdlich pflegte, wiederholte er ständig, dass er als glücklicher Mann sterbe. Sein Ton jedoch verriet das Gegenteil. Einmal, nach einem Tag mit kaum mehr zu ertragenden Schmerzen, der sie beide erschöpft hatte, meinte er sogar, er wisse, dass es nicht ihre Schuld sei. Aber er schaffte es, das auf eine Weise zu sagen, die in Marnie nur Schuld und Trauer hervorrief, so dass sie hilflos in die Hühnerbrühe weinte, die sie für ihn in der Hoffnung heiß machte, dass er wenigstens einen Löffel davon essen würde.
    Auch nach seinem Tod hatte sie sehr viel geweint. Sie waren beinahe vierzig Jahre verheiratet gewesen, und er hinterließ ihr ein schönes Haus und genügend Geld, zu dessen Verdienst sie zwar erheblich, aber nicht konkret messbar beigetragen hatte. Sie war an ihn gewöhnt, daran gewöhnt, seine Frau zu sein, und sie hatte keine Ahnung, wie – und ob – sie je eine Witwe sein könnte. Darüber hinaus war sie bis auf die Knochen erschöpft von drei Jahren unablässiger Pflege, in denen sie so sehr hinter den kranken Gregory zurückgetreten war, dass sie sich selbst völlig aufgelöst zu haben schien. Noch mehr als ein Jahr nach seinem Tod lief sie wie ein Schatten im Haus umher, vergaß, weshalb sie nach oben gegangen war, trug eine Rolle Bindfaden sinnlos von Zimmer zu Zimmer, starrte aus dem Fenster hinunter auf den Rasen und den Teich, ohne etwas

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