Schwiegertöchter (German Edition)
hatte.
»Es steht ihr nicht zu, Pläne für uns zu machen!«, rief Charlotte. Sie putzte sich die Nase und presste dann das Gesicht an den Arm ihrer Mutter. »Es ist nicht ihr Leben! Es ist unseres. Und sie hat das in einem wirklich garstigen Ton gesagt. Es klang richtig gemein.«
»Ach, Liebes«, sagte Marnie so sanft, wie sie konnte.
Charlotte hob den Kopf und starrte sie an. »Bist du nicht böse auf sie? Hasst du sie nicht dafür, dass sie so mit mir redet?«
Marnie wurde warm ums Herz, weil sie diejenige Mutter war, die sich richtig verhielt, die Verbündete und nicht Feindin war.
»Ich gebe mir Mühe, es nicht zu sein, Liebes.«
»Warum? Warum bist du nicht böse? Glaubst du mir nicht?«
»Natürlich, Liebes.«
»Was dann?«
»Sie fühlt für Luke dasselbe wie ich für dich. Luke ist ihr Sohn.«
»Luke gehört jetzt mir «, sagte Charlotte und putzte sich erneut die Nase. »Luke ist mein Mann. Zuallererst .«
»Manchmal brauchen Menschen ein bisschen, um sich an so etwas zu gewöhnen.«
»An was?«
»An – an die Verschiebung von Loyalitäten.«
»Dann wird es aber verdammt noch mal Zeit . Er ist nicht mehr ihr kleiner Junge.«
Marnie wartete einen Moment. Sie zog ein frisches Papiertuch aus der Schachtel und wischte damit fachmännisch Mascara weg, das unter Charlottes Augen verschmiert war. Dann fragte sie: »Natürlich weiß er, dass du hier bist, oder?«
Charlotte sah an ihrer Mutter vorbei auf die Wand hinter dem Sofa. »Eigentlich nicht.«
»Luke weiß es nicht? Was glaubt er, wo du bist?«
»Arbeiten.«
»Und was denken sie bei der Arbeit, wo du bist?«
»Im Bett. Mit einem Magenvirus.«
»Ach, Charlotte«, sagte Marnie.
Charlotte sah zurück auf ihre Mutter. »Warum sagst du das so?«
Marnie zögerte. Die Wahrheit wäre gewesen: Weil das die erste Lüge in eurer Ehe ist, die du Luke erzählst. Und es werden Jahre voller Halbwahrheiten folgen. Jahre. Aber Charlotte sah nicht aus, als könnte sie so etwas jetzt hören, geschweige denn, akzeptieren. Also sagte sie stattdessen: »Du solltest die Dinge nicht noch komplizierter machen, als sie ohnehin schon sind«, worauf Charlotte ausrief: »Ich habe nicht damit angefangen!«
»Das weiß ich doch.«
»Rachel hat damit angefangen, Rachel hat mein Essen ruiniert, Rachel behandelt uns, als wären wir dumme kleine Kinder. Luke und ich sind verheiratet.«
»Eine Heirat ändert nichts an dem, was man für seine Kinder empfindet«, sagte Marnie. »Vielleicht mit der Zeit, im Kopf. Aber nicht im Herzen, nicht wirklich. Man fühlt weiterhin dasselbe, und vielleicht sind einige dieser Gefühle nicht so vernünftig, wie sie sein sollten.«
Charlotte schniefte. Sie sagte: »So wie bei Daddy?«
Marnie lachte. Ihr ging flüchtig durch den Kopf, wie Gregory auf Charlottes Geschichte reagiert hätte, wie er aus dem Haus gestürmt wäre, den Mercedes aus der Garage geholt hätte und nach Suffolk gerast wäre.
»Daddy wäre noch zehnmal schlimmer gewesen, Liebes.«
Als sie jetzt die Dahlie studierte – eigentlich eine ziemlich hässliche Farbe, wie billige Butter –, überlegte Marnie, eher erleichtert als mit schlechtem Gewissen, dass Gregory in einer solchen Situation keine Hilfe gewesen wäre. Bei der Nachricht von der ungeplanten Schwangerschaft hätte er gebrüllt: »Das habe ich ja gleich gesagt!«, und dann wäre er sentimental geworden und hätte, wenig dienlich, Charlottes Empörung darüber verteidigt, dass man mit ihr ohne das gewohnte Maß an Bewunderung und Bestätigung gesprochen hatte.
Charlotte war ein eigensinniges kleines Mädchen gewesen. Fiona und Sarah waren neun und sieben gewesen, als sie geboren wurde, und sie war vom ersten Atemzug an eine Schönheit gewesen, der kleine runde Kopf mit schlüsselblumenfarbenem Flaum bedeckt. Wahrscheinlich haben wir sie verzogen, dachte Marnie, alle vier, und es wurde für sie selbstverständlich, verwöhnt zu werden, nur dass sie jetzt nichts anderes außer Lob akzeptieren und nicht mit Meinungen umgehen kann, die sich nicht mit ihren Wünschen decken. Aber immerhin, sagte sich Marnie, als sie die Blume weglegte und den 3B-Bleistift zum Skizzieren aufnahm, hatte sie ihrem Vorschlag zugestimmt – oder ihn zumindest nicht abgelehnt –, sofort nach Hause zu fahren und Luke zu erzählen, wo sie gewesen war. Sie hatte in der Tür gestanden, mit den Wagenschlüsseln geklimpert und gesagt: »Ich werde es versuchen. Aber sie hat uns dazu gebracht, zu streiten. Kannst du das fassen? Wir
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