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Schwiegertöchter (German Edition)

Schwiegertöchter (German Edition)

Titel: Schwiegertöchter (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joanna Trollope
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wahrzunehmen. Und dann, an einem Wochenende, kam Charlotte nach Hause, ihr bezaubernder Liebling Charlotte, die ihrem Vater so viel Sorge bereitet hatte, weil er glaubte, dass ihr Aussehen nur Ärger bedeutete, strahlte wie ein Weihnachtsbaum und sagte, noch bevor sie richtig zur Tür herein war, sie habe jemanden kennen gelernt. Es sei etwas Ernstes.
    Diese Mitteilung riss Marnie aus ihrer Trance und rüttelte sie wach. Charlottes ältere Schwestern, Fiona und Sarah, riefen sich ständig gegenseitig an und sagten: was für eine Erleichterung, ist das nicht toll, kannst du das fassen, hast du Mummy jemals so gesehen? Natürlich wurde Luke von allen angehimmelt, so gut aussehend, so groß, so vernarrt in Charlotte, so reizend zu Fionas und Sarahs Kindern, so höflich zu Marnie, so ein guter Tennisspieler, und wie interessant, Anthony Brinkley zum Vater zu haben. Beinahe über Nacht verwandelte sich das Haus von einem bloßen Ort der Erinnerung an Gregory und die lang vergangenen Kindertage der Mädchen in die geschäftige Schaltzentrale einer Hochzeit. Charlotte wollte alles – Frack, Festzelt, Torte, Blumen, Ansprachen, Champagner –, was Marnie sich nur hätte wünschen können, was sie selbst auch gehabt hatte und was Fiona und Sarah gehabt hatten, wenn auch in abgewandelter Form: Fionas Mann war auf Kurzurlaub von der Navy gewesen und Sarahs Mann hatte sich geweigert, anders als in einem rein weltlichen Rahmen zu heiraten. Das Standesamt in Beaconsfield hatte die Zeremonie natürlich sehr schön vollzogen, sehr würdevoll, aber Sarah trug ein kurzes Kleid und ihr Mann einen Straßenanzug, und es fehlte ein gewisser – nun, Zauber war das Wort. Aber Charlotte wollte Zauber. Sie wollte Zauber in Hülle und Fülle, und wie sie als Kind darauf vertraut hatte, Lob und Trost von ihrer Mutter zu bekommen, vertraute sie jetzt darauf, von ihr diesen Zauber zu bekommen.
    Und sie hatte ihn bekommen. Eindeutig. Marnie konnte noch immer voller Zufriedenheit auf Charlottes Hochzeitstag zurückblicken so wie auf die Monate davor, als wieder Leben ins Haus eingekehrt war und ihre Kinder und deren Kinder ständig da gewesen waren. Sie konnte gewiss sein, dass die traditionelle Gastfreundschaft der Webster-Smith-Familie – Gregory war ein berühmter Gastgeber gewesen – so lebendig und herzlich wie eh und je war. Es war ein wundervoller Sommer gewesen. Die Gästebetten schienen kaum je leer zu stehen. Der Kühlschrank war gefüllt mit Bier und im Gefrierfach lag eine Flasche Wodka. Manchmal fragte sich Marnie schuldbewusst, ob sie je so glücklich gewesen war.
    Und jetzt das. Nun schluchzte Charlotte – eindeutig schon vor ihrem Hochzeitstag schwanger – in Marnies Armen, wie unfreundlich Rachel zu ihr gewesen war. Marnie kannte Rachel nicht sehr gut – es hatten nur einige sorgfältig inszenierte Begegnungen vor dem großen Tag stattgefunden –, aber sie schien genau die Mutter zu sein, die sie bei Luke erwartet hatte. Nach Marnies Erfahrung waren Mütter von Söhnen im Allgemeinen entweder extrem feminin oder aber burschikos und patent. Rachel schien in die letzte Kategorie zu fallen, und obwohl Marnie nie ihr Haus gesehen hatte, wusste sie, dass Charlotte beeindruckt war von dessen künstlerischer Ungezwungenheit und Farbigkeit und davon, wie sich das Leben ums Kochen und Malen drehte. Charlotte bewunderte Anthonys Atelier. Marnie wäre es nie in den Sinn gekommen, sich ein eigenes Atelier einzurichten. Gregory hatte einen hübschen Rosenholztisch gekauft – eine Reproduktion, aber sehr schön gearbeitet –, der in den tiefen Erker des Wohnzimmers passte. So könnte sie an ihrem Tisch malen, und sie wären zusammen, während er sich am Nachmittag Autorennen oder Golf oder Kricket im Fernsehen ansah.
    Rachel habe sie gefragt, ob sie mit dem Baby nicht noch hätten warten können, erzählte Charlotte wütend.
    »Sie hat das nicht irgendwie nett gefragt«, sagte Charlotte. »Sie klang wütend. Als wäre sie empört über uns. Sie hält uns für leichtfertig. Sie klang, als hätten wir sie irgendwie beleidigt, enttäuscht.«
    »Ich nehme an, es entsprach nicht ihren Plänen für euch«, sagte Marnie behutsam.
    Sie saßen zusammen auf dem großen Sofa im Wohnzimmer, und Charlotte lehnte halb liegend an ihrer Mutter. Das Sofa stand an einem anderen Platz als zu Gregorys Lebzeiten, ebenso wie der Fernseher und sein Fernsehsessel, der jetzt einen neuen Bezug hatte, ein kühnes rostrotes Karo, das Fiona für sie ausgesucht

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