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Schwimmen in der Nacht

Schwimmen in der Nacht

Titel: Schwimmen in der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jessica Keener
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zum Auto und setzte sich hinters Steuer, um den Strafzettel zu Ende auszufüllen.
    Vater trommelte auf das Lenkrad. «Mr Klugscheißer an seinem freien Tag. Man könnte meinen, er schreibtgerade den ‹Großen amerikanischen Roman›. Nur weil er sonst nichts zu tun hat.»
    Mutters Gesichtszüge verhärteten sich auf die übliche, vertraute Art, aber als der Officer zurückkam, rang sie sich ein Lächeln ab. Robert ballte beide Hände zu Fäusten und öffnete sie dann wieder, immer gleichzeitig. «Ich möchte nach Hause», sagte er.
    Â«Ich wünsche Ihnen einen angenehmeren Restabend, Sir», sagte der Officer und hielt Vater den Strafzettel hin.
    Â«Ich bin noch nicht fertig mit Ihnen», sagte Vater. «Sie warten. Ich hole meine Kamera und dokumentiere das hier.»
    Â«Nur zu», sagte der Officer lächelnd. «Ich bin nicht in Eile.»
    Elliot summte eins der Pessach-Lieder, eine nervige, endlos wiederkehrende Melodie.
    Â«Lass doch gut sein, Dad», sagte Peter.
    Â«Auf keinen Fall. Ruhe im Auto!» Vater schlug auf das Armaturenbrett, sein Gesicht lief violett an. Mutter verwandelte sich in eine Gipsstatue. Robert genauso. Dann legte Vater den Gang ein, fuhr um die Ecke und in die Einfahrt hinein.
    Wir konnten nicht schnell genug aussteigen. Jeder hastete die hintere Treppe zur Küche hoch. Vater ging sofort ins Wohnzimmer. Gerade im Obergeschoss angekommen, hörte ich, wie er sich mit viel Geklirr einen weiteren Drink machte. Meine Brüder lauschten ebenfalls und gesellten sich zu mir auf den Treppenabsatz. Wir legten uns flach auf den Teppich und schauten durch das Geländer nach unten.
    Mutter rief Dora zu, ihr ein kaltes Glas Wasser zubringen. Dora lief durch den Flur zum Wohnzimmer und ging dann zurück in die Küche, das Gesicht verschlossen.
    Â«Es geht mir gut», sagte Vater immer wieder. Er klang jämmerlich.
    Wir sahen, wie er einen Schritt nach hinten machte, dann zur Seite.
    Â«Es geht dir überhaupt nicht gut», sagte Mutter und schob ihn in sein Arbeitszimmer. Die Tür ging zu.
    Â«Er sieht aus, als würde er gleich umkippen», sagte Robert neben mir.
    Elliot lag schlaff und still da.
    Â«Was sagt sie?» Ich wollte es wissen.
    Â«Komm mit», sagte Peter zu mir und stand auf.
    Wir gingen alle mit nach unten in den Keller. Von dort unten hatte er nach oben zu Vaters Arbeitszimmer eine Art Sprechanlage gebastelt, indem er durch ein Loch in der Kellerdecke ein Kabel gelegt und es zusätzlich an Lautsprecherboxen angeschlossen hatte. Wir hörten Mutter sagen: «Reiß dich zusammen. Ich ertrage das nicht mehr.»
    Â«Du hättest einen reicheren Mann heiraten sollen.»
    Â«Mit Geld hat das überhaupt nichts zu tun. Sondern mit deinem Verhalten.»
    Ich riss das Kabel aus den Boxen. «Schluss damit», sagte ich.
    Elliot fing an zu weinen.
    Â«Das ist dummes Erwachsenengerede. Das meinen sie nicht so», sagte Peter, der den Arm um Elliot legte.
    Robert krümmte die Schultern. «Ihr seid alle bescheuert.»
    Ich stimmte Robert zu – und noch bescheuerter war,dass wir am Treppenaufgang, als wir wieder nach oben schlichen, Dora in die Arme liefen, die schon auf uns wartete. Sie sah Peter und mich an.
    Â«Was habt ihr mit euren Brüdern gemacht?» Sie legte den einen Arm um Elliot und den anderen um Robert, der keine Berührungen mochte, und führte sie in die Küche. «Es gibt nichts, was eine Tasse heißer Kakao nicht wieder in Ordnung bringen könnte», sagte sie zu ihnen.
    Peter und ich stiegen noch zwei weitere Treppen zu seinem Zimmer hoch. Wir schlossen uns in seinem Schrank ein, wo wir auf dem Boden unter einem Wald von Hemden saßen, die auf Bügeln über uns baumelten.
    Â«Was ist los mit den beiden?» Ich verstand das Gerede meiner Eltern nicht. Es war wirr wie verknotete Stricke.
    Â«Lass sie doch. Hör mal das hier.» Er saß im Schneidersitz und legte die Gitarre über seine Knie, vorsichtig, damit der Gitarrenhals nicht gegen die Wand knallte. Sein Optimismus, gepaart mit leichter Entrüstung, rüttelte mich wach. Wenn er sie ausblenden konnte, konnte ich das auch.
    Â«Ich bringe dir ein paar neue Akkorde bei.»
    Ich rutschte näher an ihn heran und ließ ihn meine Finger auf den Saiten anordnen. Zusammengepfercht auf so engem Raum, roch ich den nach nasser Baumwolle und Gummi riechenden Schweiß unter seinen Achseln.

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