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Schwimmen in der Nacht

Schwimmen in der Nacht

Titel: Schwimmen in der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jessica Keener
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Chef ist die Person, die dich bezahlt. Richtest du dich also nach ihm? Ich verrate dir die Antwort», sagte er und knallte das Buch hin. «Manche Leute machen es wie die zwei ältesten Töchter. Sie tun das, von dem sie glauben, dass ihr Chef es will. Ein paar tun das, von dem sie glauben, dass es moralisch richtig ist. Diese Wenigen, eine Minderheit, möchte ich hinzufügen, werden geächtet, genau wie Lears jüngste Tochter. Verstehst du, was ich sagen will?»
    Â«Was verlangt dein Chef von dir?», fragte ich.
    Â«Er will, dass ich
mein
Seminar auf
seine
Weise gebe, und das werde ich nicht tun!» Er wackelte mit dem Zeigefinger in Richtung Buch.
    Â«Mr Kunitz», sagte Dora, die mit einem Geschirrtuch in der Hand hereinkam, «Sarah muss ins Bett. Morgen ist ein ganz normaler Schultag.»
    Â«Ja, ja, ich weiß.»
    ~~~~~~~~~~~
    Vater nahm uns am Abend nach der Operation mit zu Mutter ins Krankenhaus. Wir marschierten einen breiten Gang entlang. Eine Krankenschwester in einem blauen Schwesternkostüm und weißen Schuhen führte uns zu Mutters Zimmer, das leicht beißend nach Reinigungsalkohol und süßem Parfüm roch.
    Â«Da seid ihr ja», sagte Mutter erschöpft. Sie hob den Arm und ließ ihn aufs Bett fallen.
    Aneinandergedrängt betraten wir das Zimmer. Sie hatte ein riesiges Kissen im Nacken, ihr dünnes Haar war zerzaust. Sie sah blass und müde aus.
    Â«Sie wird immer wieder wegdämmern», sagte die Krankenschwester. «Aber sie schlägt sich wirklich sehr tapfer.»
    Mutter drehte sich zur Krankenschwester. Sie schloss die Augen. Ihre Lippen zitterten, als würde sie ein Weinen unterdrücken. «Ja, das hoffe ich.»
    Elliot ging zu ihr ans Bett und schenkte ihr einen Spielzeuglöwen. «Der passt auf dich auf.»
    Sie öffnete die Augen. «Elliot.» Sie versuchte, den Löwen auf das Nachtschränkchen neben sich zu stellen, verfehlte aber die Kante. Der Löwe fiel polternd auf den Boden.
    Â«Oh, Elliot.» Sie schaute zum Nachttisch und hielt dann die Hand vor die Augen. «Bitte.» Tränen liefen ihr über die Wangen. «Ich habe ihn dort verloren. Den Klang, ich habe ihn verloren. Elliot, holst du ihn mir?» Sie drehte sich zum Nachttisch.
    Â«Hier ist er», sagte Elliot und hob den Löwen auf.
    Sie schloss die Augen wieder.
    Â«Irene? Hast du Schmerzen?»
    Sie drehte den Kopf. «Was habe ich verloren?»
    Â«Nichts, Irene. Du träumst. Alles wird gut.» Vater stand bei ihr am Kopfende und legte die Hand auf die Matratze. «Der Arzt meinte, das müsste es jetzt gerichtet haben.»
    Peter stand an der Tür. «Soll ich die Krankenschwester holen?» Er ging aus dem Zimmer.
    Robert entdeckte die Fernbedienung und stellte den Fernseher an.
    Â«Jetzt nicht», sagte Vater.
    Peter kam mit der Krankenschwester zurück.
    Â«Warum weint sie?», fragte Elliot.
    Â«Das hat mit der Narkose zu tun. Es dauert ein paar Tage», sagte die Krankenschwester. Sie ging rüber zu Mutter und sah ihr ins Gesicht. «Bald ist sie wieder ganz da. An die Hälfte von dem, was sie jetzt sagt, wird sie sich später gar nicht erinnern. Ihr könnt sie wieder besuchen, aber für heute ist es wahrscheinlich genug.»
    Â«Wir wollen eure Mutter nicht überanstrengen», sagte Vater und ging in Richtung Tür.
    ~~~~~~~~~~~
    Sie kam am Ende der Woche nach Hause und sah mit den gewaschenen und gekämmten Haaren wieder aus wie sie selbst. Alles war wie vorher. Vater war erleichtert, sie auf dem Weg der Besserung zu wissen. Wir alle. Sie trug ein Korsett, aber das war nur vorübergehend. Freunde schickten Blumen und Karten, die ihr Schlafzimmer schmückten. Ihrem Nacken ging es jeden Tag ein wenig besser.
    Jetzt, wo endlich all die Kraft freigesetzt wurde, die über so viele Monate in ihren Knochen gefangen gewesen war, sprühte sie vor Tatendrang. Dazu gehörte auch die Idee einer Sommerparty. Selbst ihre Rosen reagierten darauf, sie erblühten in einem Crescendo verschiedener Farben und Düfte im Garten hinterm Haus. Das riesige Blumenbeet, das den Garten dominierte, hatte die Form einer Bühne und war in vier Teile unterteilt, dazwischen verliefen Gangreihen zum Wandeln und Staunen.
    Ich stand am Rand ihres Gartens und sah zu, wie sie mit einer Schaufel neue Erde unterhob. Kniend tastete sie nach Erdklumpen und schob mit lavendelfarbenen Gartenhandschuhen den feinen,

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