Schwimmen in der Nacht
Stadt und kaufen ein neues Aquarium. Kommst du mit, Robert? Ich brauche deine Hilfe.»
Elliot stand still im Flur.
«Du auch, Elliot», sagte sie.
Robert kniete neben dem Hummertopf. Die vom kaputten Aquarium durchnässten Shorts klebten an seinen Beinen. Ein Haarflaum verdunkelte seine Oberlippe. Robert war im Sommer mehrere Zentimeter gewachsen. Mit seinen gut 1,62 war er jetzt genauso groà wie ich. Er wirkte ungelenk mit seinen gekrümmten Beinen, aber im Morgenlicht überraschte mich sein kantiges Gesicht. Elliot sah dreiÃig Zentimeter kleiner aus als Robert, weich, rund und verletzlich, während Robert mittlerweile körperlich bedrohlich wirkte, seine Schultern hatten sich zu einem Schild verbreitert und sein Kinn war kantiger geworden. Robert sprach stöhnend in den Hummertopf: «Nicht sterben.»
«Ich pass auf sie auf», sagte Dora.
Vater war in sich zusammengesackt. Aber es war schwer zu sagen, ob ihm leidtat, was er angerichtet hatte, oder ob er nur sich selbst bemitleidete, was er seit Mutters Tod nur zu gern tat, als wäre er eine Flasche Wein, die ab und zu gedreht werden musste, ansonsten aber bei kühlen Temperaturen sich selbst überlassen bleiben sollte.
«Len, wir kommen gleich zurück», sagte Sherry zu ihm. «Das mit dem Strand ist doch jetzt nicht so wichtig. Okay? Wir haben noch den ganzen Tag.» Sie wandte sich zu ihm und schickte ihm eine intime, stumme Botschaftweiter, das Versprechen einer Belohnung durch die Geliebte, wenn er sich gut benahm. Mein Vater hatte eine Abfuhr bekommen, seine Schultern hingen jetzt durch, und er zog einen leichten Schmollmund. Ich wollte ihn immer durchschütteln, wenn er das machte, an ihm zerren und ihn wieder zu einem Menschen machen, den ich achten und mögen konnte.
«Ich mach die Sauerei hier sauber», sagte Dora mit neuer Zuversicht. «Fahrt ihr mal. Ich halte hier die Stellung. Und ich gieà noch Wasser dazu.»
«Bloà nicht!», fauchte Robert. «Man darf den Stickstoffprozess nicht abändern. Wir müssen uns beeilen. Sie müssen
wiederangesiedelt
werden.»
Elliot und Sherry folgten Robert nach unten, und ich entschloss mich spontan mitzugehen, also liefen wir im Gänsemarsch zur Auffahrt, wo Sherry ihren Wagen abgestellt hatte.
«Robert, du setzt dich nach vorne zu mir. Ich möchte wissen, was genau wir machen müssen, und wenn du hinten sitzt, versteh ich dich nicht.»
Wieder einmal hatten ihre Worte den gewünschten Effekt. Robert stand neben Sherrys kleinem Kombi und wartete, dass sie ihm aufmachte. Elliot und ich setzten uns nach hinten.
Sherry legte die Hand um den Schaltknüppel und setzte aus der Auffahrt zurück. «Los gehtâs.»
«Was passiert jetzt mit den Fischen?», wollte Elliot wissen.
«Nichts», sagte Sherry. «Fische sind robuste Kreaturen.»
Robert wiegte sich auf seinem Sitz hin und her, umsich der Fehlzündungen in seinem Körper zu erwehren, Neuronen, die in seinem Inneren aufs Geratewohl alle möglichen Gefühle produzierten. Die Morgensonne bohrte einen heiÃen Tunnel durch die offenen Scheiben. Der Sommer bäumte sich ein letztes Mal auf, bevor der Herbst einsetzte. Ich streckte den Kopf hinaus, während Sherry den kleinen Hügel hinabfuhr, um die Ecken bog und schlieÃlich die HauptstraÃe Richtung Stadt erreichte.
Hinter ihr hupte ungeduldig ein Auto. Sie streckte den Arm aus ihrem Fenster und winkte den Wagen an uns vorbei.
«Rasen bringt dich auch nicht schneller ans Ziel, Meister», sagte sie.
Robert lieà die StraÃe nicht aus den Augen. «Charles, Neon und Dimension, habt keine Angst.» Seine Fische hatten alle einen Namen: Blue Tail, Angel, Flutter.
Pet Planet lag fast im Zentrum in einer Sackgasse, und als wir reinkamen, war der Laden leer bis auf einen schlaksigen jungen Mann, der sich die langen Haare zum Pferdeschwanz zusammengebunden hatte. Das trübe Licht der Aquarien erhellte die eine Ladenseite. Andere kleine Käfige waren nach Tierarten zusammengestellt worden: Vögel ganz am Ende, Hamster und Rennmäuse in der Mitte, und vorne im Schaufenster schliefen ein paar pelzig verknäulte Labradorwelpen.
Der Laden hatte eine Klimaanlage, aber zusätzlich bliesen Ventilatoren aus allen vier Ecken und verteilten die Gerüche von zerissenem Zeitungspapier und Welpenharn. Heraus kam dabei der Wirrwarr des Lebens â ein Geruchschaos aus Essen,
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