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Schwimmen in der Nacht

Schwimmen in der Nacht

Titel: Schwimmen in der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jessica Keener
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schließen, und eilte nach unten in die Küche.
    Â«Der gehört deiner Mutter», sagte Dora.
    Ich berührte die Hutkrempe und richtete mich auf. Wenn ich mit Sherry, die die Frechheit besaß, Mutters Badezimmer zu benutzen, zu diesem Strandausflug mitkam, würde ich Mutter mitnehmen, um Sherry in ihre Schranken zu weisen.
    Â«Ich weiß.»
    Ich öffnete den Kühlschrank und holte den Orangensaft heraus. Sherry kam in die Küche, die Wangen feucht und gerötet, von Mutters heißem Wasser gut durchblutet. Sie trug weiße Kreolenohrringe, und ein violetter Rock schmiegte sich an ihre breiten, knochigen Hüften. An ihrer bloßen Taille zeigten sich kleine Fettröllchen. Die Brüste, ihre Kronjuwelen, standen in einem farblich abgestimmten tuchähnlichen Baumwolltop vor. Glänzender Lippenstift rahmte ihre viereckigen dicken Zähne. Ich hätte gern gewusst, wie oft sie mit meinem Vater gefickt hatte.
    Â«Mit dem Hut siehst du umwerfend aus, Sarah», sagte Sherry. Sie lächelte anmutig und suchte dann bei Dora Einverständnis und Zustimmung.
    Â«Er gehört meiner Mutter», sagte ich.
    Dora goss Kaffee in eine Tasse und reichte sie widerwillig Sherry.
    Â«Cornflakes sind da drin», sagte Dora und zeigte auf den Hängeschrank über der Arbeitsfläche.
    Â«Hast du gefrühstückt?», fragte mich Sherry. Ihr Blick sagte:
Bitte gib mir eine Chance. Versetz mir keine Ohrfeigen.
    Ich zuckte mit den Schultern und sah weg.
    Â«Robert will nicht mitkommen», sagte sie. «Ich bin sicher, das liegt an mir. Und du auch, Sarah. Ich weiß, du magst es nicht, dass ich hier bin.»
    Ihre Ehrlichkeit war verblüffend. Einen Augenblick lang war sie mir fast sympathisch.
    Â«Robert mag keine Ausflüge», sagte ich. «Und eigentlich überhaupt keine Veränderungen.»
    Sie nickte, trank einen Schluck Kaffee und hinterließ einen Lippenstiftabdruck an der Tasse. «Könnten wir es gleichwohl probieren?»
    Gleichwohl.
Bis zu diesem Wort war ich bereit gewesen, ihr zuzuhören. Gleichwohl?
    Im ersten Stock über der Küche fiel etwas zu Boden, und diesmal war es nicht nur ein Schuh. Dora und ich liefen zur Treppe und sahen hinauf. Roberts Tür war verschlossen, aber Vater stand davor und drückte sie auf.
    Â«Hör auf. Du machst sie kaputt!», rief Robert.
    Dora ging die Treppe hoch und unter ihrem martialischen Schritt ächzte jede einzelne Stufe, bis sie den Absatz erreicht hatte. Ich folgte ihr. Noch bevor ich oben war, hatte Vater es schon geschafft, Roberts Tür aufzustoßen, und die Kommode, die Robert vor die Tür geschoben hatte, stürzte um. Robert schrie auf.
    Â«Mörder! Meine Fische! Meine Fische!»
    Er kreischte wieder wie am Spieß, als würde jemand permanent auf ihn einstechen. Ich lief in sein Zimmer. Die Kommode hatte die Ecke des Aquariums getroffen, und das Glas war gesplittert. Das Wasser lief in einem dünnen Rinnsal heraus und durchweichte den Teppich. Robert saß auf dem Boden und wiegte sich hin und her. Die Kommode hatte ihn umgeworfen, aber ich sah gleich, dass er nicht verletzt war. Er strampelte mit den Beinen und brüllte.
    Â«Meine Fische! Du bringst meine Fische um!» Er sprang auf und umarmte das Aquarium; der Wasserspiegel war auf die Hälfte gesunken, und alle sechs Fische, die blauen und roten Salmler, schossen wie wild durch den immer kleineren Pool.
    Â«Holt einen Topf! Rettet sie! Hilfe! Hilfe! Hilfe! Hilfe! Hilfe!» Er konnte gar nicht mehr aufhören.
    Â«Bitte, jetzt beruhigt euch alle mal», sagte Sherry an der Tür.
    Die Frechheit, sich in dieser explosiven Familie überhaupt blicken zu lassen, verschlug uns allen die Sprache. Hoch aufgerichtet stand sie in der Tür und hielt einen großen Hummerkochtopf in den Armen. «Lasst uns das Wasser hier reingießen. Da können sie drinbleiben, bis wir ein neues Aquarium haben.»
    Sie stellte den Topf auf den Boden und sah mich dann hilfesuchend an. Ich packte das eine Ende des Aquariums und hob es an. Das Wasser strömte über den Rand in den Hummertopf. Das halbe Dutzend Fische schnellte hinterher wie leuchtend blaue und rote Farbspritzer, dann wurden sie wieder kleine, fünf Zentimeter lange Farbtropfen. Sie schwammen ziellos hin und herund versuchten, sich in dem schwarz gepunkteten Hummertopf zu orientieren.
    Â«Die Zoohandlung ist heute offen», sagte Sherry. «Wir fahren in die

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