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Schwimmen in der Nacht

Schwimmen in der Nacht

Titel: Schwimmen in der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jessica Keener
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Scheiße, Pisse und Atmen. Mutter hatte nie einen Hund oder eine Katze gewollt.Sie hatte Angst vor dem Dreck gehabt, den sie machten. Erst nachdem Robert sie monatelang bedrängt und mit ganzen Stapeln von Büchereibüchern über Aquariumspflege und -wartung angekommen war, hatte sie schließlich nachgegeben.
    Â«Aber du machst das Aquarium sauber», sagte sie. «Dora hat schon genug zu tun.»
    Auf der kurzen Fahrt zur Zoohandlung sagte Robert zu Sherry: «Fischabfälle zerfallen zu Ammoniak, ein hochtoxisches Gift. Aber der biologische Prozess der Natur bringt Bakterien hervor, die das tödliche Ammoniak in harmlose Stickstoffkomponenten aufspalten. Der Kreislauf braucht aber genau die richtige Kombination aus Wassertemperatur, Futter und monatlicher Erneuerung des Wassers.» Er holte tief Luft und fuhr fort: «Die genaue Konzentration, bei der Ammoniak für Fische toxisch wird, variiert von Art zu Art; manche sind toleranter als andere. Außerdem spielen noch andere Faktoren wie Wassertemperatur und Chemie eine wichtige Rolle.» Er sprach, als würde er das von einer Leinwand im Kopf ablesen. Sein Gehirn fotografierte ganze Passagen aus Büchern, und wenn man ihn mitten im Satz unterbrach, fing er von vorne an, als stünden ihm die Abschnitte vor Augen.
    Â«Weißt du, so anders als wir sind die gar nicht», sagte Elliot. «Fische haben fünf Sinne. Sie riechen, hören, schmecken, sehen und spüren.» Er zählte die Sinne an den Fingern ab.
    Â«Ich weiß. Und außerdem nehmen sie im Wasser Schwingungen auf», sagte Robert. «Elektrische Impulse. Sie sind äußerst feinfühlig.»
    Â«Ich finde sie besser als Menschen!», sagte Elliot und riss bei dem Gedanken die Augen weit auf. «Sie spüren Dinge, die wir nicht spüren. Es sind Supertiere!»
    Â«Es sind Fische», sagte Robert.
    ~~~~~~~~~~~
    Im Laden schaute ich mir verschiedene Aquarien an: solche mit Salmlern, Millionenfischen, Goldfischen und Welsen. Ich versuchte, mir ihre Wasserwelt vorzustellen. Auf einem ausliegenden Informationsblatt stand, Goldfische wären intelligent, und wenn der Mensch, der sie immer fütterte, auf das Aquarium zukäme, würden sie ihn sogar erkennen. Elliot stand neben mir, legte einen Finger an die Scheibe und betrachtete die anmutigen Schleifen der Flossen. In einem der volleren Aquarien knabberte ein Fisch einem anderen die Flossen an, bis der verfolgte Fisch in eine andere Ecke des Aquariums davonschoss.
    Als Robert sein Aquarium einrichtete, hatte Vater auf seine übliche nervige und pedantische Weise zu philosophieren angefangen.
    Â«Warum domestiziert man Fische? Worauf beruht ihre Faszination?», hatte er Robert beim Abendessen gefragt.
    Â«Darauf, dass wir Gott spielen können», hatte Peter entgegnet, die Augen halb geschlossen und eine Augenbraue hochgezogen; seine herrlichen blonden Haare und das glatte Gesicht wirkten absichtlich arrogant. «Damit wir die Herren ihres kleinen Universums sein können.»
    Â«Sei ruhig», sagte Robert. «Das liegt an der Evolution. Fische sind unsere Vorfahren.»
    Als mir das wieder einfiel, bekam ich Sehnsucht nach Peter, dem ironischen Beobachter, der noch in Kalifornien war und nicht die Absicht hatte zurückzukommen. Ich sah ihn praktisch vor mir, wie er mit einem Halstuch in Bars und an Straßenecken Folksongs sang. Vielleicht würde ich nach meinem Schulabschluss im Frühjahr dasselbe machen.
    Ich ging durch die Tierhandlung, an den Regalen mit den nach ihren Herkunftsorten geordneten kleinen Aquarien vorbei – Süß- oder Salzwasser, warme oder kalte Klimazonen – und blieb vor einer Gruppe kleiner Glasbehälter stehen, in denen jeweils ein einziger Betta oder siamesischer Kampffisch schwamm. Auf dem Datenblatt am Aquarium hieß es, Bettas hätten ein zusätzliches Atemorgan namens Labyrinth. Damit könnten sie den Sauerstoff direkt an der Wasseroberfläche aufnehmen. Das natürliche Habitat der Bettas wären flache Gewässer, wie es sie auf allen südostasiatischen Reisfeldern gäbe. In diesen Gewässern gäbe es nur wenig Sauerstoff, und deshalb könnten sie erst durch ihr Labyrinth gedeihen.
    Sherry trat neben mich und sagte: «Labyrinthorgane. Stell dir vor, Menschen könnten so etwas entwickeln. Im Wasser ein- und ausatmen.»
    Ich beugte mich zu einem der Glasbehälter vor. Die winzigen blaubeerfarbenen

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