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Schwimmen in der Nacht

Schwimmen in der Nacht

Titel: Schwimmen in der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jessica Keener
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aber die volltönende Klarheit seiner Sprechstimme, der klare Ton und seine Tragfähigkeit hallten im Zimmer nach, als er «Good Day, Sunshine» von den Beatles sang.
    Durch die Fischrettung mit dem Hummertopf hatte Sherry Robert vor dem Absturz bewahrt und sich im Handumdrehen Elliots Zuneigung erworben – Elliot,der es immer allen recht machen wollte, der mit der Bereitschaft, geliebt zu werden, auf die Welt gekommen war, verehrte sie von diesem Augenblick an. Wir fuhren nicht mehr an den Strand. Stattdessen überredete sie Vater, aus dem Arbeitszimmer zu kommen, und brachte Dora meiner stummen Missbilligung zum Trotz dazu, einen Stapel Hamburger-Frikadellen und Hotdogs aus der Tiefkühltruhe zu holen und hinterm Haus einen frühen Grillabend zu veranstalten. Die Kohlebecken des Grills ruhte auf drei Beinen mit Rädern, das Dora an die Terrassentreppe schob, damit sie es von der Küche aus im Blick behalten konnte.
    Während Dora die Holzkohle kreuz und quer mit Brennspiritus bespritzte, setzte ich mich auf eine Chaiselongue und zupfte auf Peters alter Gitarre herum. Ich übte leichte Akkordwechsel und träumte davon, mit dem Bus quer durchs Land zu meinem großen Bruder nach Kalifornien zu fahren.
    Dora riss ein Streichholz an und ließ es in den Grill fallen. Das Feuer flammte auf und züngelte heiß an der Holzkohle hoch. Elliot und Robert schaukelten, obwohl Robert aus dem Schaukelalter längst herausgewachsen war. Vater stellte seine Lautsprecher ins offene Arbeitszimmerfenster und legte den Song «Little Green Apples» auf:
It don’t rain in Indianapolis in the summertime.
Unser Familienglück oder das, was so aussah, zog anscheinend die Nachbarn an, denn die Fineburgs kamen herüber und stellten sich zu einem spontanen nachbarschaftlichen Glas Wein zu Vater und Sherry.
    Â«Wie schnell unsere Kinder doch groß werden», sagte Mrs Fineburg zu Vater. Sie war eine nette, ungezwungenwirkende Frau, die, wenn es warm war, gern Turnschuhe und Tennisröcke trug. Sie erzählte, Mickey verbrächte ein Austauschjahr in Europa, und riss dann ungläubig den Mund auf: «Na, jetzt schau sich einer diesen Robert an! Der ist ja nicht wiederzuerkennen!»
    Vater stand direkt neben Sherry, und ihre Ellenbogen berührten sich. Die Fineburgs lächelten viel, als wäre Vater durch seine neue Zweierbeziehung in eine ihnen vertraute Welt heimgekehrt.
    Die Holzkohle im Grill glühte rot. Das brennende Fett und die süßsauren Gerüche von Ketchup und Senf erfüllten den Garten mit den Düften des normalen Vorstadtlebens. Während alle Mitglieder meiner Familie – bis auf den fehlenden Peter – und sogar Dora erleichtert waren, dass das Aquariumsfiasko glimpflich ausgegangen war, saß ich auf der Terrassenstufe, knabberte an einem Hamburgerbrötchen, hatte keinen richtigen Hunger und kaute nur auf einem Krümel meines Argwohns herum, dass Sherry mit ihrem Optimismus und ihrer Hoffnung etwas gewonnen, mir dabei aber etwas genommen hatte.

17. Kapitel
Die schöne Tochter
    Es klingelte, und ich ging an die Tür.
    Â«Du bist also die schöne Tochter! Ich bin Mrs Gore. Die Immobilienmaklerin!»
    Sie hielt mir die Hand hin. Obwohl der Tag schwül war, fühlte sich ihre Hand trocken und kühl an, noch frisch von der klimatisierten Autofahrt. Bevor ich die Tür schloss, entdeckte ich ihren saphirblauen Continental unten vor dem Haus.
    Â«Freut mich, dich kennenzulernen!», sagte sie. «Deine Tante hat erzählt, dass du Sängerin bist.»
    Â«So was in der Art.»
    Mrs Gore trat in die Diele. Sie erinnerte mich an diese älteren Damen im Country Club – diese Frauen, die immer mit so stolzgeschwellter Brust herumlaufen, als hätten sie den Club selbst erfunden. Ich stellte mir vor, wie sie in Golfschuhen über Steinplatten klackerte, das Schirmchen der Golfmütze wie eine Tiara hochgestellt, selbstsicher und blind den anderen gegenüber – die Herzogin vom Country Club. Ihr kräftiges Parfüm stach in der Nase, eine Mischung aus alten Nelken, Zimt und Vanilleglasur.
    Â«Erwartet mein Vater Sie?»
    Â«Aber ja. Wir haben einen Termin.»
    Das hatte ich sogar schon gewusst. Mrs Gore hatte gerade Tante Annettes Haus verkauft. Der September war fast vorbei, und der bevorstehende Umzug meinesOnkels und meiner Tante nach Florida hatte meinen Vater neugierig gemacht, wie viel Geld er wohl für

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