Schwimmen in der Nacht
Broschüre stand:
Kein Platz für Fehler: Wann ein Diaphragma schützt und wann nicht.
Der Zug leerte sich, je weiter wir nach Norden kamen, hielt in Schlafstädten, und auch mein Nachbar stand auf und verabschiedete sich mit einem Nicken. Als ich aussteigen musste, schob ich die eingerollten Broschüren unter meinen Sitz. Ich ging die Bahnhofstreppe hinauf Richtung Stadtzentrum und nahm den vertrauten Weg durch die Dunkelheit, unter StraÃenlaternen entlang, um die sich im kalten Abendnebel Lichthöfe bildeten.Ich ging an geharkten Vorgärten vorbei und bog schlieÃlich zu dem Haus ein, das es seit dem Anfang meines Lebens immer gegeben hatte.
Auf dem ZU-VERKAUFEN-Schild auf dem Rasen stand VORBEHALTLICH VERKAUFT.
Schnell ging ich die Auffahrt hoch.
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In der Küche stieà ich auf Dora, die SüÃkartoffeln umrührte und Stücke gegrillten Heilbutts auf einer Servierplatte anrichtete. Sie sah zur Wanduhr hoch.
Es war 18 Uhr 12.
Ich zog den Mantel aus und hängte ihn an die Garderobe im Flur. Sherrys Mantel aus beigem Mohair wärmte sich an Vaters Mantel. Robert und Vater sahen mich erwartungsvoll an.
«Mr Edwards wollte, dass ich noch ein Solo singe.» Ich setzte mich neben Elliott an den Tisch und füllte mir vorsichtig Fisch und Salat auf den Teller.
Sherry lächelte freundlich. «Gratuliere.»
Vater nickte. «Sehr gut.» Er schob sich eine Gabel Kartoffeln in den Mund und wartete darauf, dass Sherry weiterredete. Sie kam inzwischen regelmäÃig zum Abendessen.
«Ich kann dich gerne mal vom Chor abholen», sagte sie.
«Nicht nötig. â Ich hab das Schild drauÃen gesehen», sagte ich zu Vater.
«Hatâs verkauft», platzte Robert heraus.
«Noch nicht ganz», verbesserte Vater ihn.
Vater legte die Gabel auf den Teller und erklärte uns mit einer ruhigen Stimme, die ich bei ihm lange nicht gehört hatte, einer Stimme, die besagte, er habe alles unter Kontrolle und die Dinge würden sich, allem Anschein zum Trotz, mit der Zeit positiv entwickeln, dass eine Familie aus Pennsylvania ihm ein Angebot gemacht hätte. Sich in das Haus verliebt hätte. Den Garten. Sein Potenzial sah.
«Wenn alles glatt geht, können wir im Dezember umziehen, in den Ferien, damit es nicht in die Schulzeit fällt.»
«Ich will nicht umziehen», sagte Elliott.
«Ach, Elliott», sagte ich liebevoll. Ich streichelte ihm den Arm. Ich fand es schön, dass er aussprach, was wir alle dachten. Und zwar ohne zu brüllen oder besserwisserisch zu klingen.
Ich betrachtete das dunkle Esszimmerfenster, in dem sich die runde Kronleuchterkugel spiegelte.
«Haben sie sich auch in dieses Licht verliebt?»
Vater fuhr sich übers Haar und überhörte die Bemerkung. Er lehnte sich zurück.
«Der Markt ist schwierig. Wir können von Glück reden, dass wir ein Angebot bekommen haben.»
«Da ist Onkel Max aber anderer Meinung», sagte ich.
«Wisst ihr was», sagte Sherry, und wieder erstaunte es uns sehr, wie sie sich in unsere Angelegenheiten einmischte. «Ich bin umgezogen, als ich zwölf war. Und das könnt ihr mir glauben: Ich wollte das genauso wenig wie du, Elliot. War absolut dagegen. Ich habe meinen Eltern gesagt, ich würde in einem Zelt im Garten schlafen. Und wisst ihr was? Wir sind umgezogen, und das neue Haushat mir besser gefallen als das alte. Manchmal geht es komisch zu im Leben.»
«So wie Dad sich jetzt mit dir trifft, weil Mom gestorben ist?», fragte Elliot.
Dora kam ins Esszimmer gerauscht, und hinter ihr sah man die Tür zurück schwingen.
«Wer hat noch Hunger?», fragte sie laut. Sie sah zielstrebig und wachsam aus, als sie durch den Raum ging, eine Schüssel mit weiÃem Reis und Pilzsuppe in der Hand. Als Mutter erwähnt wurde, änderte sich die Stimmung im Raum. Vater seufzte. Dora huschte um den Tisch herum, mit ihren roten Kardinalsflügeln versuchte sie, die Raubtiere von Vater fernzuhalten, der sich über den Tisch beugte, nach seinem Weinglas griff und es mit einer galanten Drehung des Handgelenks austrank.
Dora stand mit der Reisschüssel neben mir und wartete darauf, dass ich mir auftat, aber ich schüttelte dankend den Kopf. Mir war schlecht. Die Ãbelkeit war wieder da. Dora sah, wie ich das Gesicht verzog, nickte und ging weiter zu Elliot, der sich eine Kelle matschigen Reis auf den Teller klatschte. Seine
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